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Winterreise

Winterreise

Titel: Winterreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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reiben, und Nagl erzählte ihr, wie er mit einer Frau in einem Auto geschlafen hatte, wie er seinen Schwanz in sie gesteckt, ihn wieder herausgezogen und sie geleckt hatte. In diesem Augenblick stöhnte Anna so laut, daß er ihr den Mund zuhalten mußte. Sie setzte sich auf und leckte seine Brustwarzen. Er saß mit steifem Schwanz vor ihr und sah ihr schönes Gesicht und die kleine Zunge, die schnell über seine Warzen leckte, dann verlangte sie von ihm, daß er sich auf den Bauch legte. Sie leckte seine Hüften, und die Haare an seinen Armen stellten sich auf, dann leckte sie seinen Rücken bis zum Nacken, von dort über die Schultern und unter dem Arm. Der Schweiß lief ihm in einzelnen Tropfen über das Gesicht. Ihm war vom Trinken übel und er lag nackt und unbewegt da, mit geschlossenen Augen.
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    Im ersten Stock des lindgrünen Doppeldeckerbusses wurde ihm übel, er mußte aussteigen und an der frischen Luft auf den nächsten warten. Auch im folgenden Bus wurde ihm übel, er konnte nur mühsam atmen, unter seinem Brustbein schmerzte es ihn und sein Hals schien von einer unsichtbaren Kraft zusammengedrückt. Es war dieselbe Beklemmung, wie er sie in der Eisenbahn empfunden hatte, als er erwacht war und den Mann gesehen hatte. Er setzte sich mit Anna auf dem riesigen, kreisförmigen Petersplatz vor eine Säule. Ein Stück weiter saß ein Mann mit einem hellen Hut und schwarzem Band, schwarzer Hornbrille und einem zusammenlegbaren Schirm und musterte ihn interessiert. Nagl war bleich, er holte tief Luft, erhob sich und sah, wie mächtig der tintenfarbene Himmel über ihnen war. Es waren schwere Regenwolken, die, je weiter man blickte, um so schwärzer wurden. Sie flogen nicht in einer Ebene, sondern gingen wie schwerfälliger Rauch ineinander über. Auf den Zinnen der Gebäude hoben sich Heiligenstatuen weiß wie Lichterscheinungen gegen den dunklen Himmel ab. Sie standen nebeneinander, und Nagl mußte, um sie zu sehen, den Kopf heben. Er dachte an das Begräbnis des Tierarztes und an die Kinder, die wie Hypnotisierte geschaut hatten. Die Kinder wußten viel, dachte er. Sie sahen, wie Tiere getötet wurden, weil man Nahrung brauchte, sie arbeiteten zu Hause, am Hof, auf den Feldern, sie sahen wie ein Unwetter alle Mühen zunichte machte, sie sahen Menschen sterben und schliefen mit den Toten im selben Haus. Wenn es warm war, rann den Toten das Blut aus der Nase, Fliegen liefen über die wächsernen Gesichter der alten Großmütter und -väter. Draußen ging die Arbeit weiter. Die Väter kamen betrunken nach Hause, man hörte, wenn sie mit den Müttern in einem Bett lagen. Und er mußte so tun, als wüßte er das nicht, als ginge ihn das nichts an, er mußte eine Normalität vertreten, die es gar nicht gab. Er mußte so tun, als gäbe es nur diese nicht existierende Normalität.
    Anna streichelte ihm über das Haar, und er griff nach ihrer Hand. Auch wenn er den Eindruck hatte, daß nichts mit ihm etwas zu tun hatte, so spürte er doch, wie reich das Leben war. Ihm fiel ein, wie er in Neapel am Frachthafen auf einem Stuhl gesessen war mit geschwollener Nase und voll Zorn. Er griff nach der Nase und fühlte noch immer einen Schmerz.
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    Der Dom machte auf ihn einen so gewaltigen Eindruck, daß er von seinem Körper abgelenkt wurde. Die Wände und Verzierungen waren aus schwarzem, grünem, gelbem und grauem Marmor voll goldener Mosaike und Stukkaturen. Anstelle des Himmels leuchtete eine goldene Decke, und ganz weit vorne stand inmitten vierer mächtiger Säulen ein Altar. Nagl trat in eine Seitenkapelle, und da lag in einem gläsernen Sarg der flache, goldüberzogene Leichnam eines Papstes, er trug roten Samt und schien zu atmen. Es war der gewöhnlichste Gedanke, der ihm durch den Kopf ging. Anna bestaunte den toten Papst, aber Nagl fühlte seine eigene Vergänglichkeit so stark, daß er nicht weitergehen konnte. Die Welt fiel ihm ein, wie sie sich saphirblau und leuchtend im Raum drehte, der Krater des Vesuv, in den er geblickt hatte wie auf ein fremdes Gestirn, Anna, wie sie auf dem Bidet gesessen und sich eingeseift hatte, und der Gendarm, wie er sich in die Hand geschossen hatte. Er fühlte jetzt wieder all das, was er empfunden hatte, als er mit Anna im Zug gesessen war und an das Ende der Erde gedacht hatte, als ihn die Erinnerung gequält und die Gegenwart bedrückt hatte. Und dann, in der Nacht, war der fremde Mann zu ihm in das Abteil gekommen und hatte seine Jackentasche durchsucht, ohne daß er etwas an

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