Winters Herz: Roman (German Edition)
Pfiff, und ein vom Spielplatz geworfener Schneeball traf Ben am Arm. Geworfen hatte ihn Damon, der Ben jetzt zuwinkte. Ben winkte zurück.
Mr. Remick erschien am Eingang, und Cass ging auf ihn zu. Auch Ben hatte ihn gesehen, warf sich herum und rannte zu ihm wie ein Sohn zu seinem Vater. Cass rechnete fast damit, dass Theo ihn hochheben und herumwirbeln würde.
Cass erwiderte Theos Blick, sah die Herzlichkeit in seiner Miene. Sie ließ alles so einfach erscheinen.
»Hi, Ben«, sagte der Lehrer. »Freust du dich schon darauf, heute Abend zu Sally zu gehen?«
Ben grinste begeistert. An diesem Morgen wirkte er anders – sorglos glücklich. Er rannte zum Spielplatz, auf dem Damon ihn erwartete.
»Du hast es dir hoffentlich nicht anders überlegt, Cass«, sagte Theo.
Sie schüttelte den Kopf, aber dann hörte sie ein vertrautes Geräusch hinter sich. »Entschuldigung«, sagte sie rasch. »Bin gleich wieder da. Muss nur mit jemandem reden.«
Ein Land Rover kam in Sicht. Seine Motorhaube wippte, als er auf die Zufahrt zum Parkplatz rollte. Cass hastete winkend auf die Fahrerseite hinüber.
Die rechte Tür wurde geöffnet, und eine Cass unbekannte Frau stieg aus.
»Oh, Entschuldigung«, sagte Cass, »ich habe Sie verwechselt.« Sie wich zurück und merkte, dass Mr. Remick ihr gefolgt war.
»Freut mich, Sie zu sehen, Mrs. Jackson!«, rief er aus.
Mrs. Jackson sah auf, lächelte und wandte sich wieder dem Kind auf dem Beifahrersitz zu.
»Alles in Ordnung, Cass?«
Sie zwang sich dazu, Mr. Remick anzusehen. Sein Blick wirkte völlig unbeschwert. Er hatte keine Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen.
»Ich müsste dringend Jessicas Mom sprechen. Hast du sie heute Morgen schon gesehen?«
»Nein, sie war noch nicht da. Möchtest du drinnen auf sie warten? Dir ist bestimmt kalt.«
Cass sah sich auf dem Parkplatz um. Niemand würde ihn so schnell wieder verlassen, nicht heute. Beobachtete sie ihn vom Gebäude aus, würde sie Lucy unbedingt sehen, bevor sie wieder wegfahren konnte.
Mr. Remick ging ins erste Klassenzimmer voraus, und Cass starrte aus dem Fenster, sah eine weiße Welt hinter bunten Fensterbildern. Er zog sich einen kleinen Plastikstuhl heran und hockte mit weit von sich gestreckten langen Beinen darauf. Bei diesem Anblick musste sie unwillkürlich lächeln.
»Du erliegst meinem Charme schon noch, Ms. Cassidy«, sagte er.
Sie wandte sich dem Fenster zu und hielt kurz den Atem an. Aber der von der Straße abbiegende Wagen war ein weißer Pick-up.
Mr. Remick stand auf und stellte sich neben sie. »Das ist Myra«, sagte er. »Den Truck hat ihr Mann ihr hinterlassen.«
»Ist er nicht mehr da?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist allein.« Er machte eine Pause. »Sie hat’s nicht leicht. Du im Augenblick auch nicht, vermute ich.«
Cass spürte seinen Atem an der linken Halsseite, als er sich zu ihr hinüberbeugte; dann folgte ein nur hingehauchter Kuss. Ihr lief ein wohliger Schauder über den Rücken. Aber sie zwang sich dazu, weiter nach draußen zu sehen.
Myra, deren Hand auf der Schulter eines kleinen Mädchens ruhte, kam den Weg entlang. Cass beobachtete, wie die Frau den Kopf hob und durchs Fenster sah. Als ihre Blicke sich begegneten, verzogen Myras Lippen sich zu einem spöttischen Lächeln.
Cass warf den Kopf in den Nacken und musterte Mr. Remick kritisch.
»Hier kann man wirklich leicht Freundschaften schließen«, murmelte sie. »Wenn man möchte.«
Sie beobachtete die Zufahrt. Ein paar Kinder kamen sie heruntergerutscht; dann folgte eine Mutter, die ihren Jungen bis zum Eingang des Schulhauses begleitete. Autos fuhren keine mehr vor. Cass veränderte ihre Haltung, rückte etwas näher an die Fensterscheibe heran.
»Ich sollte meine Schäfchen zusammentreiben.« Er sah auf die Wanduhr.
»Aber …?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Wir sind zwar ziemlich stark ausgedünnt, müssen aber trotzdem weitermachen.«
»Aber mit so wenigen?« Cass sah wieder hinaus. Ungefähr ein Dutzend Kinder waren gekommen – nicht mal genug für eine ganze Klasse. Draußen ging Sarah vorbei und winkte ihr zu. »Und ich hab Lucy noch nicht gesehen. Sie kommt ganz sicher.«
»Sorry.« Er drückte ihre Schulter. »Ihr fehlt bestimmt nichts, aber heute Nacht hat es wieder geschneit. Die Straßen waren schon vorher ziemlich schlimm.«
»Vielleicht kommt sie doch noch.«
»Nun, willst du nicht noch etwas länger warten? Du kannst gern in diesem Zimmer bleiben.«
Cass hörte, wie seine Schritte
Weitere Kostenlose Bücher