Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
Vom Netzwerk:
seinen Freunden erschöpft war.
    Sie hätte ihn fragen sollen, wo er gewesen war, was sie gemacht hatten. Sie runzelte die Stirn. Vielleicht hatten sie Zeichen in Haustüren geschnitzt. Waren durch leere Wohnungen getobt.
    Sie schüttelte den Kopf. Bestimmt hatten sie nur Schneebälle geworfen, Fangen gespielt, sich provisorische Schlitten gebaut. Dafür war der Bauhof ideal, und Cass nahm sich vor, Ben sein Betreten zu verbieten. Dort gab es sicher alles: Wellblechtafeln, rostiges Werkzeug, splitternde Bretter mit herausstehenden Nägeln. Unter darunter konnte einiges lauern: graue Ratten, Wärme suchend aneinandergedrängt.
    Ratten. Und Ben, der so still dagesessen hatte, als sie über ihn hinwegschwärmten und die Krumen von seinen Händen gefressen hatten.
    Er hatte freundlich sein wollen, das war alles.
    Und heute Abend? War Ben heute Abend auf der Suche nach den Ratten gewesen?
    Cass sah zu Boden, auf dem Bens Kleidung wie gewöhnlicheinen kleinen Haufen bildete. Dort lag etwas, das auf den ersten Blick eine wimmelnde graue Masse zu bilden schien, aber als sie blinzelte, löste es sich in Jeans und ein T-Shirt auf. Sie hob beides auf, verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
    Auf dem Weg ins Bad merkte sie, dass das kleine Bündel zu schwer war   – und dass etwas darin durchnässt war. Zuerst dachte sie, ihr Sohn könnte in die Hose gemacht haben, vielleicht weil die Spiele der anderen ihm Angst gemacht hatten. Sie stellte sich ihren blassen Jungen vor, der weiß Gott wozu aufgefordert wurde. Vielleicht auf Bäume zu klettern   … oder Bilder zu zeichnen, eklige, schreckliche Bilder. Cass faltete seine Jeans auseinander. Sie waren trocken; etwas Feuchtigkeit fand sich nur an den Knöcheln, wo er durch den Schnee gestapft war. Nass war dagegen sein T-Shirt, um genau zu sein, war es an der Vorderseite tropfnass. Sie erinnerte sich daran, wie im Bad Wasser gelaufen war   – warum so lange? Sie strich den Stoff glatt, hielt ihn ans Licht. Unter der Nässe war etwas Dunkleres zu erkennen, irgendein undefinierbarer Fleck. Sie hob das T-Shirt ans Gesicht und roch daran. Es verströmte nur schwachen Körpergeruch, den warmen Geruch eines getragenen Kleidungsstücks. Sie ballte es eng zusammen und warf es in den Wäschekorb. Seine Jeans folgten.
    Cass trocknete sich die Hände mit einem Handtuch ab und betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr Gesicht war spitz und abgehärmt, ihr Haar fettig. Die Falten auf ihrer Stirn waren tiefer geworden. So hatte sie nicht ausgesehen, solange sie mit Pete zusammen gewesen war. Hatte Theo Remick diese Falten gesehen? Sie beugte sich übers Waschbecken und bespritzte ihr Gesicht mit Wasser. Sie fühlte sich so müde. Sie würde ins Bett gehen, um alles zu vergessen und an nichts mehr denken zu müssen.
    Sie fand jedoch keinen Schlaf. Sowie sie im Bett lag, begann ihr Gehirn zu arbeiten, beschäftigte sich mit den Ereignissen desTages. Sie dachte über Ben nach: Wie konnte ihr Junge solch eine Zeichnung angefertigt haben? Wie konnte er überhaupt auf diese Idee gekommen sein? Sie beugte sich aus dem Bett, zog ihre Sachen, die sie ebenfalls achtlos zu Boden geworfen hatte, zu sich heran und holte die Zeichnung aus der Jeanstasche. Sie sah sie nicht wieder an, sondern fühlte nur das Papier zwischen ihren Fingern, während sie die Zimmerdecke anstarrte. Und dabei musste sie wieder an Pete denken.
    Seine Arme waren so stark gewesen. Das hatte zu den Dingen gehört, die sie an ihm geliebt hatte: wie er einen Arm um ihre Taille schlang und sie gespielt gewalttätig an sich zog. Wie er sie mühelos mit einer Hand festhielt, während er mit der anderen ihren Körper erforschte.
    Konnte Pete etwas derart Widerwärtiges getan haben? Nein . Dies war nur eine Zeichnung. Ein Fantasiebild, keine Wiedergabe eines realen Ereignisses.
    Er war Bens Vater. Der Mann, den sie liebte. Geliebt hatte.
    Cass schlug die Decke zurück und stellte ihre Füße auf den Boden. Die kühle Nachtluft ließ ihre Haut prickeln. Sie griff unters Bett, ertastete den Rand der Schachtel und zog sie heraus. Sie fühlte das glatte Seidenband, von denen das Briefbündel zusammengehalten wurde, unter ihren Fingerspitzen. Ihre Hände trafen die Auswahl, indem sie einen Brief herauszogen. Er knisterte und raschelte so laut, dass Cass zusammenfuhr. Aber dieses Geräusch kam nicht von dem Papier. Irgendwo in den Wänden bewegten die Ratten sich wieder.
    Sie knipste die Nachttischlampe an, und die Schatten

Weitere Kostenlose Bücher