Winters Herz: Roman (German Edition)
schallend. »Sie trau’n ihn mir nicht zu.« Das Lachen wurde zu einem Keuchen, und er schlug sich auf den Oberschenkel, als er sich in seinen Sessel fallen ließ und Cass mit einer Handbewegung den zweiten Sessel anbot. »Das steckt dahinter, was?«
»Im Schnee kämen Sie bestimmt schwer voran. Ich mache mir Sorgen wegen Captain, das ist alles. Er sieht müde aus.«
Der Alte wurde wieder ernst. »Ich weiß, Schätzchen, das is’er – das sin’ wir beide. Aber in dieser Gegend bin ich seit meiner Jugend unterwegs, und das heißt einiges.«
»Aber …«
»Ich bin kein junger Bursche mehr, das weiß ich. Hören Sie, Schätzchen, Captain und ich sind trotzdem jeden Tag unterwegs. Und das wird ein schweres Stück Arbeit, klar. Aber ich lass mir Zeit, und bin ich erst mal auf der Straße, ist alles in Ordnung. Sie werden’s sehen.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Es sin’ ungefähr neun Meilen. Wenn ich ankomm, bin ich erledigt, aber hinter dem Grat geht’s nur noch bergab, und da komm ich locker zurecht. Was kann ich also für Sie tun?« Er sah sie an. »Ich geh auf jed’n Fall, Schätzchen, ob Sie mir ’ne Nachricht mitgeb’n oder nich’, also könn’ Sie gleich damit rausrück’n.«
Cass wühlte in ihrer Umhängetasche und zog einen Luftpolsterumschlag heraus. »Den müsste ich dringend jemandem schicken. Könnten Sie ihn in Moorfoot aufgeben, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
Bert ließ sich den Umschlag geben, las die Anschrift.
»Das sind wichtige Unterlagen für einen Kunden. Er muss sie bekommen, sonst verliere ich ihn. Ich habe keine Briefmarken, aber ich kann Ihnen das Geld geben.«
»Ist das alles?«
»Nun, ja, aber es ist …«
»Sie kapier’n nichts«, sagte er. »Sie kapier’n überhaupt nichts.«
»Was?«
»Ist das wirklich alles?« Sein Akzent schien sich zu verflüchtigen; er sprach knapp und präzise. »Keine Botschaft, die ich ausrichten kann? Niemand, den ich anrufen soll?«
Cass dachte an ihren Vater und rutschte im Sessel hin und her. Sie würde ihm schreiben müssen, aber nicht jetzt; das konnte sie tun, wenn dieser Ausnahmezustand beendet und der Schnee geschmolzen war. Dann konnte sie ihn besuchen oder vielleicht zu sich nach Darnshaw einladen.
Sie erinnerte sich daran, wie ihr Vater mit Ehrfurcht und noch etwas anderem im Blick in der Kirche aufgesehen hatte.
»Nein, Bert, das ist alles. Es wäre großartig, wenn Sie mir diesen Gefallen täten, aber ich will Sie weiß Gott nicht dazu drängen. Ich finde irgendeine andere Lösung.«
Der Alte steckte den Umschlag ein. »Ich geb ihn für Sie auf, Schätzchen. Ich will nur hoff’n, dass alles andere in Ordnung kommt.«
»Sehr freundlich von Ihnen.«
»Nur noch eins«, sagte er.
Cass wartete.
»Ich geh, das sagte ich ja, aber er ist zu alt. Er schafft’s nicht über die Hügel.«
Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass er Captain meinte.
»Ich muss ihn daheim lass’n. Er kann hier bleib’n, aber … nun, ich hab mich gefragt, ob Sie ihn nehm’n könnt’n.«
Cass stand der Mund offen.
»Er ist’s nicht gewöhnt, allein zu sein.«
»Bert, das tut mir echt leid … ich weiß, dass Sie mir helfen, und würde mich gern revanchieren, aber ich muss an Ben denken. Captain wollte ihn neulich anfallen. Das darf ich nicht noch mal riskieren.«
»Nein, nein.« Der Alte ließ den Kopf hängen. »Das hatt’ ich vergess’n. Weil’s ihm nicht ähnlich sieht. Aber nein, ist in Ordnung. Captain kommt hier allein zurecht.«
Die Ohren des Hundes zuckten, als er seinen Namen hörte.
»Bestimmt ist er froh, wenn ich ihn nicht überall hin mitschleife.«
»Ich wollte, ich könnte ihn nehmen.«
»Ich weiß, Schätzchen, das is’ in Ordnung. Ich hätt’ gar nich’frag’n soll’n. War bloß ’ne Idee. Mach’n Sie sich desweg’n keine Sorgen. Wir komm’n zurecht, Captain un’ ich.«
Sie stiegen schweigend die Treppe hinunter, wobei Bert sich am Geländer festhielt. Er öffnete die knarrende Tür und sah zum Himmel auf. »Lässt nicht nach«, sagte er in leichten Schneefall hinein. »Am best’n seh ich zu, dass ich bald wegkomm’. Der Schnee is’ fast zu riech’n, stimmt’s?«
Sie sog prüfend die Luft ein, sah sich um. Als sie sich wieder umdrehte, lächelte Bert ihr zu.
»Pass’n Sie auf Ihren Jungen auf«, sagte er und schloss die Haustür.
Cass blickte ins Schneegestöber vor dem Fenster hinaus. Die Flocken waren jetzt größer und schwerer. Sie stellte sich vor, wie Bert dick
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