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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
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vermummt gegen diesen Wind ankämpfte und langsam einen Schritt nach dem anderen machte, während Captain zu Hause nach seinem Herrchen winselte.
    Sie hätte den alten Mann nicht gehen lassen dürfen.
    Aber er hatte bestimmt schon mehr als die halbe Strecke nach Moorfoot zurückgelegt und freute sich bereits auf einen Drink im nächsten Pub. Er hatte gewusst, worauf er sich einließ   – und außerdem hatte er selbst etwas jenseits des Moors zu tun gehabt.
    Sie musste aufhören, sich Sorgen um Bert zu machen; es gab etwas anderes, das sie tun musste. Sie hatte es nicht geschafft, Bens Zeichnung aus ihrem Gedächtnis zu verdrängen. Es fiel ihr schwer, das Gefühl zu unterdrücken, ihr Sohn wisse etwas über seinen Vater, das sie nie auch nur geahnt hatte, aber das konnte natürlich nicht stimmen. Das Bild entstammte Bens Fantasie oder vielleicht einem seiner Kriegsspiele.
    In Gedanken war sie dauernd bei Petes Briefen. Es wurde Zeit, sie zu sortieren. Um vielleicht Hinweise darauf zu finden, in was für einen Menschen ihr Mann sich verwandelt haben mochte.
    Und sie dann zu entsorgen, nach vorn zu blicken.
    Das Päckchen sah so klein aus, als sie es bei Tageslicht hochhielt. So wenig angesichts ihrer gemeinsamen Jahre: ein paar Beobachtungen, Eindrücke von Menschen und Orten, die sie nicht kannte und niemals zu sehen bekommen würde. Cass hob sie an ihr Gesicht. Sie rochen leicht staubig wie etwas, das zu zerfallen beginnt.
    Bens Zeichnung hatte sie mit in die Schachtel gelegt. Nicht die Darstellung schmerzte, sondern seine Erklärung dazu: Er hat sie gesext.
    Cass zog die Schleife auf und breitete die Briefe auf dem Boden aus.

    Heute habe ich einen kleinen Jungen gesehen. Er war fünf bis sechs Jahre alt. Er hat mich irgendwie an Ben erinnert   – und dann doch wieder nicht. Ist das nicht unheimlich? Aber in seinem Blick hat etwas gelegen. Wissen, denke ich. Oder totale Hoffnungslosigkeit. Erst als ich an ihm vorbei war, habe ich gesehen, dass sein linkes Bein ab dem Knie amputiert war.
    Cass schüttelte den Kopf. Dies war nicht, wonach sie suchte.

    Einst war das Blau dieser Steine die teuerste Farbe der Welt. Ich hab einige für Dich gekauft.
    Ich liebe dich, Cass. Für immer und ewig.
    Sie hielt den Atem an, drückte den Brief an ihr Gesicht und wartete darauf, dass die Tränen kommen würden. Aber sie kamen nicht. Stattdessen sah sie Theo Remicks Blick, klar und freimütig, als sei alles geklärt, alles zwischen ihnen vereinbart.
    Sie schob die Briefe zusammen und stand auf. Am besten wäre es gewesen, sie entschlossen wegzuwerfen, um wenigstens sich selbst zu beweisen, dass sie bereit war, nach vorn zu schauen.
    Trotzdem wandte sie sich jetzt ab und legte sie wieder in dieSchachtel, die sie unters Bett schob. Vielleicht würde sie sie eines Tages noch brauchen. Vielleicht würde sie den Trost seiner Stimme brauchen.
    Und Ben würde sie vielleicht lesen wollen, wenn er älter war. Natürlich würde er das wollen.
    Cass schob den Fuß unters Bett, schubste die Schachtel noch ein Stück weiter. Dort konnte sie bleiben. Sie konnte im Dunkel liegen, bis sie in Vergessenheit geriet.

Kapitel 21
    Cass nahm ein Seidentop aus dem Kleiderschrank und hielt es an ihren Oberkörper. Pete hatte dieses Teil geliebt. Er hatte darauf bestanden, es ihr zu kaufen, obwohl es ihr zu teuer gewesen war. Sie hängte es wieder hinein. Sah dabei etwas Rotes aufblitzen. Rot. Ein bisschen plakativ, aber spielte das eine Rolle? Sie war eine erwachsene Frau mit Falten auf der Stirn und einem Sohn, der von der Schule abgeholt werden musste. Nein, es spielte keine Rolle. Cass zog die Bluse an und sah, wie sie ihr Haar heller leuchten, ihre Augen strahlen ließ.
    Er hat sie gesext.
    Ja, so würde es gehen.
    Sie versuchte, nicht an Pete zu denken, konnte aber nicht verhindern, dass sie die beiden Männer miteinander verglich. Theo würde niemals laut, niemals derb wie Pete sein, das wusste sie. Würde ihr das fehlen? Sie presste die Lippen zusammen. Oder war Theo Remick nicht vielmehr der Typ Mann, den sie selbst gewählt hätte, bevor sie Pete begegnet war?
    Cass schüttelte den Kopf, tuschte sich die Wimpern und legte Lipgloss auf. Erinnerte sich an das Gefühl von Remicks Lippen an ihrem Hals. Dann zog sie den Mantel an, nahm ihre Umhängetasche und verließ die Wohnung.
    Die Schule war längst aus. Nur zwei Kinder waren zurückgeblieben: ein Junge und ein Mädchen. Ihre Jacken und Schulranzen in Warnfarben leuchteten grell, als sie

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