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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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und stieg von der Veranda herunter, wobei sie sorgsam auf die eisverkrusteten Stufen achtete. Sie trug einen perlfarbenen Cowboyhut mit einer blauen Feder im Hutband. Ihr Joint war nur noch ein Stummel, sie hielt ihn Ree hin, die einen Zug nahm. »Ich kenn dich doch«, sagte die Frau. »Ich hab dich auf ein paar Versammlungen bei Rocky Drop gesehen.«
    »Wir gehen nicht immer hin.«
    »Du hast mal aus einem der fetten Boshell-Jungs, der dir aufs Kleid gerotzt hat, die Grütze rausgehauen, oder?«
    »Sie waren dabei?«
    »Hast ihm einen Teller mit russischen Eiern aus der Hand geschlagen und ihm dann das Gesicht in den Dreck gedrückt, bis er nur noch gewinselt hat. Das bist du doch, mit der Mutter, die sie nicht mehr alle beisammen hat, richtig? Ihr wohnt gleich bei Blond Milton da draußen?«
    »Ja, stimmt.«
    »Ich heiße Megan. Und ich kannte Jessup vom Sehen, aber gesprochen hab ich nie mit ihm.«
    »Sie
kannten
ihn?«
    Ree hatte den Joint bis auf den letzten Rest aufgeraucht und hielt ihn Megan hin. Megan stopfte sich die Kippe in den Mund, schluckte sie hinunter und antwortete dann: »Ich hab ihn erkannt, wenn ich ihn hier gesehen hab, meine ich. Er macht alles Mögliche, hab ich gehört.«
    »Oh. Na ja, er kocht Meth.«
    »Schätzchen, das machen doch alle. Mir brauchst du da nichts zu erzählen.«
    Ree und Megan gingen rüber zu Little Arthurs Haus, ihre Stiefel knarzten im Schnee, die Hunde begleiteten sie, wedelten mit den Schwänzen gegen ihre Schienbeine, sprangen dann voraus und brachen durch die Schneewehen. Sie kamen an anderen Häusern vorbei, und die Leute machten die Türen auf und schauten ihnen nach. Megan winkte, sie winkten zurück, und die Türen schlossen sich wieder. Die Steinfassaden der Häuser hatten in ihren Falten und Knoten Schnee gefangen und sahen aus wie künstliche Klippen in der Wildnis.
    Das Haus von Little Arthur stand oben am Hang, fast auf dem Grat. Es war größtenteils aus Holz gebaut, weniger aus Stein. An der Talseite des Hauses gab es vor der Küchentür eine Veranda, doch die Stufen und Stützpfeiler waren weggebrochen und ließen den Boden frei über dem steil abfallenden Hang schweben, eine verlockend schlechte Idee für jemanden, der so high war, dass er unbedingt darauf herumspazieren wollte. Zwei von Kugeln durchsiebte Metallfässer und anderer Schrott verrosteten neben dem Haus, eine alte Autorückbank war an dieWand gestellt worden und diente im Sommer als Sitzgelegenheit. Als die Frauen sich näherten, bewegte sich hinter dem vorderen Fenster ein Schatten.
    »Wenn er seit ein, zwei Tagen auf Meth ist, solltest du besser verschwinden, Schätzchen«, sagte Megan. »Versuch gar nicht erst, mit ihm zu reden, wenn er so drauf ist, kapiert er sowieso nichts mehr.«
    »Ich kenne Little Arthur. Er kennt mich. Ich muss Dad finden.«
    Die Tür ging auf, Little Arthur lächelte Ree an und sagte: »Ich wusste es – ich bin dir im Traum erschienen, stimmt’s?«
    »Sie sucht nach Jessup. Hast du ihn gesehen?«
    »Du meinst, sie sucht nicht nach mir? Suchst du wirklich nicht nach mir, Ruthie?«
    »Ich heiße Ree, du Arschloch. Und ich bin hier, um Dad zu suchen.«
    »Arschloch? Also, ich mag Mädchen, die mich beschimpfen, ich mag sie sogar sehr, so sehr, dass ich sie ab einem bestimmten Punkt überhaupt nicht mehr leiden kann. Und wenn das passiert, dann fließen immer Tränen.« Little Arthur war die Miniaturausgabe eines Mannes großer Worte, und er hatte eine lange Vorgeschichte, die für diese Pose bürgte. Er hatte ein furchtbares Durcheinander dunkler Haare und stechende Augen, einen kümmerlichen Schnurrbart und schlechte Zähne. Selbst ohne Meth war er stets auf der Hut, bereit, in Sekundenschnelle zu verschwinden, wo immer er auch war. Er trug ein Paar karierter Hemden, eins in die Hose gestopft, dasandere darüber, und ein schwarzer Pistolenknauf schaute über seinem Gürtel hervor. »Kommt rein, Ladys. Oder musst du schon gehen, Meg?«
    »Ich denke, ich bleibe ’ne Weile. Ist ziemlich kalt draußen.«
    »Wie du willst. Setzt euch irgendwohin.«
    Das Haus roch nach altem Bier, altem Fett, altem Rauch. Kein frisches Licht drang zu dieser Tageszeit durch die Fenster, und es war so dunkel wie in einem Krater. Das Wohnzimmer war lang, aber schmal, und man musste sich an einem großen viereckigen Tisch vorbeidrücken, um von einem Ende zum anderen zu gelangen. Runde Backformen fungierten als Aschenbecher und standen voll mit Kippen auf dem Tisch, dem Fußboden, auf

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