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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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das hübsche Bromont-Mädchen geheiratet hat.«
    »Stimmt, Mom hieß früher Bromont.«
    »Jacks kleinste Schwester. Ich kannte Jack.« Die Frau bedeutete Ree, die Stufen hoch unters Dach zu kommen. Sie nahm Ree die Kapuze ab und schaute ihr ins Gesicht. »Du willst doch keinen Ärger machen, oder? Einer meiner Neffen ist Buster Leroy. Hat der nicht mal deinen Daddy niedergeschossen?«
    »Ja, Ma’am, aber das hat nichts mit mir zu tun. Das haben die beiden untereinander geklärt, glaub ich.«
    »Ihn niederzuschießen hat die Sache wohl tatsächlich geklärt. Was willst du?«
    »Ma’am, ich muss mit Thump Milton reden.«
    »Hau ab, Mädchen. Los, fort mit dir!«
    »Es ist wirklich dringend, Ma’am. Bitte, ich bin eine Dolly! Zumindest ein bisschen von unserem Blut ist dasselbe. Das hat doch was zu bedeuten, oder? Sagt man das nicht immer?«
    Bei der Erwähnung von gemeinsamem Blut stockte die Frau, seufzte, verschränkte die Arme und presste die Lippen zusammen. Sie streckte die Hand aus und berührte Rees Haare, fühlte mit den Fingerspitzen, wie kalt und feucht sie waren, legte den Handrücken auf Rees winterrosige Wange. »Hast du denn keinen Mann, der das übernehmen könnte?«
    »Ich kann nicht so lange warten.«
    »Tja, er redet nicht mehr, als unbedingt sein muss, verstanden? Er redet auch nie direkt über was, wenn er spricht. Er sagt was, und du solltest besser wissen, was er meint, wenn nicht, belässt er es trotzdem dabei. Und selbst wenn er spricht, dann meistens nicht mit Frauen.«
    »Sie könnten ihm sagen, dass ich noch ein Mädchen bin.«
    Die Frau lächelte traurig und berührte wieder Rees Gesicht.
    »Das mache ich wohl lieber nicht, das wird er schon selbst sehen. Du wartest auf dem Hof da drüben irgendwo am Hühnerstall, ich sag ihm, dass du hier bist.«
    Neben dem Hühnerstall gab es keine geschützte Stelle. An der Wand wuchs eine zweistämmige Mimose, die den Wind ein wenig abhielt, dort kauerte sich Ree hin, sodass der Rock bis zum Boden reichte, und baute mit sichselbst als Stange ein hockendes Zelt. Die Hühner lärmten im beheizten Stall, Tauwasser zog eine Eislinie unten an den Wänden entlang. Den direkten Wind hielt die Mimose ab, doch von beiden Seiten schlugen Wirbel auf Ree ein, und die platzenden weißen Wetterfetzen warfen einen Nebel über sie, der bald gefror.
    Nach fast einer Stunde entdeckte sie ein anderes Gesicht am Fenster. Die Frau hatte ein paar Mal hinausgeschaut, doch nun schob sich der Vorhang mit vorsichtigen Fingern beiseite und zeigte ein lang gezogenes Männergesicht mit grauem Vollbart ohne Schnauzer. Der Vorhang schloss sich so langsam wieder, dass Ree nicht sicher war, ob er sich überhaupt bewegt hatte oder ob sie sich das nur gewünscht und den Wunsch an die Augen verkauft hatte.
    Wo ihr Atem auf die Brust fiel, bildete sich ein Frostrand.
    Schneeregen legte einen klirrenden Glanz auf alles. Der Nachmittagshimmel verging, Lichtschimmer fielen aus den Fenstern auf den Hof, rutschten über das Eis und wurden immer länger. Durch das gesammelte Silber hingen die Äste weit herab, Hunde kehrten heim und verschwanden unter der Veranda.
    Mit Hut und schwarzem Mantel kam die Frau heraus, sie ging in lockeren, seufzenden Galoschen. Sie trat auf den Hof, kam aber nicht näher. »Er wird wohl keine Zeit für dich haben, Kind.«
    »Ich muss mit ihm reden.«
    »Nein. Reden schafft Zeugen, und davon will er nichts hören.«
    »Ich warte.«
    »Du musst dich langsam auf den Heimweg machen.«
    »Ich werde hier draußen so lange warten, bis er kommt. Ich muss mit ihm reden.«
    Die Frau wollte etwas sagen, schüttelte dann den Kopf und ging wieder ins Haus.
    Ree hockte kalt in ihrem Zelt. Um sich abzulenken, beschloss sie, alle Miltons aufzuzählen: »Thump, Blond, Catfish, Spider, Whoop, Rooster, Scrap … Lefty, Dog, Punch, Pinkeye, Momsy … Cotton, Hog-jaw, Ten Penny, Peashot …« Genug. Genug Miltons. Nur ein paar Vornamen zu benutzen war eine Taktik, die sich noch aus alten Tagen herübergerettet hatte, eine Taktik, die zu Zeiten von Haslam, Frucht des Glaubens, beigelegt wurde, dann aber nach dem Ausbruch der großen Verbitterung und dem Einsturz der Heiligen Mauern wieder aufgegriffen wurde. Sollte doch irgendein Sheriff oder Nabob versuchen, offiziell Buch zu führen über die Dollys, wo so viele von ihnen Milton, Haslam, Arthur oder Jessup hießen. Arthurs und Jessups gab es am wenigsten, jeweils fünf vielleicht, und die Haslams machten etwa doppelt so viele aus

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