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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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auf den Geschmack kommen, wollen sie immer Käse haben. Das ist zu teuer. Käse kostet mehr als Fleisch.«
    »Oh, Mann«, meinte Gail. »Jetzt fällt es mir erst auf. Ich muss wohl in einem reichen Haus aufgewachsen sein. Wir hatten immer Käse zum Drüberstreuen.«
    Ree lachte und legte einen Arm um Gails Schultern. »Aber es ist ja noch was aus dir geworden, Süße. Dass man dir früher Zucker in den Arsch geblasen hat, hat dich nicht verdorben. Jedenfalls soweit ich das sehe.«
    Gail warf zwei Dosen geriebenen Käse in den Wagen, sagte: »Die bezahle ich.« Dann schnappte sie sich aus dem gegenüberliegenden Regal eine Dose. »Und die Tamales.«
    Die Morgensonne polierte die Asphaltstraße, und die beiden Frauen mussten auf der Rückfahrt die Augen zusammenkneifen. Schlammlöcher wuchsen wie braune Flecken in der Schneedecke. In den Löchern stand Wasser, und Vögel pickten im Schlamm herum. Ein paar Jungbäume hingen halb über der Straße, und die dünnen Spitzen ihrer Äste waren unter den Rädern der Autos zerquetscht worden.
    Auf dem Weg zum Haus sah Ree über den Bach. Blond Milton und Catfish Milton standen mit einem Fremden an der Brücke. Ein weißer Wagen mit einer langenAntenne auf dem Kofferraum stand dort. Die beiden Miltons und der Fremde schauten zu, wie sie mit dem Pick-up zum Haus fuhren. Der Fremde zeigte auf sie, zuckte mit den Schultern und kam über die Brücke.
    »Wer zum Teufel ist das?« fragte Ree.
    »Irgendwer aus der Stadt«, vermutete Gail, »schau dir mal seine tollen Schuhe an!«
    Ree schleppte die Einkäufe, Gail schleppte Ned. Die beiden blieben auf der Veranda stehen und drehten sich zu dem Fremden um. Ree stellte ihre Tüten ab und sagte: »Das reicht, Mister, Sie bleiben da stehen. Was wollen Sie?«
    Der Mann wirkte mächtig in seinem dicken Mantel, ein Mantel aus Fell und Schafwolle, mit flauschigen Aufschlägen. Er mochte um die dreißig sein, trug eine verspiegelte Sonnenbrille und ein Beinhalfter. Einige Zentimeter Bart baumelten an seiner Kinnspitze herunter. Er sah so aus, als wolle er nichts Böses, könne aber einigen Schaden anrichten, falls er dazu gezwungen wäre. »Ich bin Mike Satterfield von Three X Bail Bonds. Wir haben die Kaution für Jessup Dolly gestellt, und so wie es aussieht, ist er abgehauen.«
    »Dad ist nicht abgehauen.«
    »Er ist nicht vor Gericht erschienen, also ist er abgehauen.«
    »Dad ist tot. Er ist nicht vor Gericht erschienen, weil er irgendwo da draußen tot rumliegt.«
    Satterfield blieb unten an der Treppe stehen und nahm die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren braun und ruhig. Er lehnte sich seitlich an den Handlauf und musterte Ree.
    »Das ist nicht das, was ich hören will. Absolut nicht. Das ist für keinen von uns gut. Du weißt, dass ich das Recht habe, alles hier zu durchsuchen? Ich will sagen, ich kann bei euch rein, wenn ich will, und in den Schränken und unterm Dach suchen und unter den Betten. Weißt du das, Mädchen?«
    »Ich weiß, dass Sie damit Ihre Zeit verschwenden würden. Sie würden Ihre Zeit verschwenden und mich auf die Palme bringen, nicht mehr und nicht weniger.« Gail ging mit Ned ins Haus, und Ree stieg die Stufen hinunter. »Wie lange habe ich? Wie lange, bis wir rausgeschmissen werden?«
    »Nun, das kommt drauf an, ob ich ihn finde und zurückbringe.«
    »Hören Sie, Mann, es ist so, wie ich sage. Jessup Dolly ist tot. Er liegt in einem beschissenen kleinen Grab oder wird gerade in einem Schweinestall zu Mist verarbeitet. Oder er ist in ein tiefes Höhlenloch geschubst und dort in Stücke zerrissen worden. Vielleicht haben sie ihn einfach draußen liegen lassen und er verrottet unter einem Schneehaufen, wo noch keiner nachgesehen hat. Aber wo auch immer, er ist tot, Mann.«
    Satterfield schüttelte sich eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an und blies den Rauch in die Luft. Er hatte die Angewohnheit, sich das lange Haar mit dem Handrücken aus dem Gesicht zu wischen. »Und woher weißt du das?« fragte er.
    »Sie haben doch sicherlich schon gehört, wie die Dollys sind, oder?«
    »Mein ganzes Leben lang. Jedenfalls, wie manche von ihnen sind. Ich schätze mal, im Umkreis von hundert Meilen hat das so ziemlich jeder gehört.«
    »Also, ich bin eine Dolly, durch und durch. Und deshalb weiß ich, dass Dad tot ist.«
    »Die Kerle da sind Verwandte, richtig? Die haben kein Wort mit mir geredet, keiner von beiden, obwohl mein Vater für die beiden im Laufe der Jahre schon mehrmals die Kaution gestellt hat.

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