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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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Gesicht reglos, ihre Seele ganz der Stille und der nahen Zuflucht hingegeben, die das Unverständnis bot. Mom sah in den Sonnenuntergang, zog die Knie an die Brust und legte ihre Arme darum.
    »Mom?«
    In den folgenden Minuten beugte sich Ree ein paar Mal vor und sah ihr ins Gesicht. Mom sah unverwandt in die leuchtende Entfernung hinaus. Das Kinn auf den Kniescheiben, Hände um die Schienbeine. Ree rückte auf dem alten Stumpf beiseite und studierte Mom im Profil, die runden Gesichtszüge, die eingefallenen Wangen, dann seufzte sie und sah nach Westen. Das Licht schrumpfte zu einem roten Punkt jenseits des Kamms zusammen, dann verschluckte die Nacht diesen Punkt, und die Aussicht versank in der Dunkelheit. Ree stand auf, zog Mom hoch, und Arm in Arm machten sie sich auf den Weg nach Hause.

FLOYD TAUCHTE NACH EINBRUCH der Dunkelheit mit dem Baby auf. Seit Mittag hatte Gail mindestens drei Mal erklärt, ihre Brüste würden wehtun, und sie schnappte sich Ned, als sei er Medizin. Sie trug ihn zur Couch, lehnte sich zurück, knöpfte sich eilig die Bluse auf und hielt ihm eine Brustwarze hin, die er sofort annahm. Ree setzte sich in einen Sessel am hinteren Fenster und versuchte nicht zu lauschen, bekam aber jedes Wort mit. Floyd wollte, dass Gail nach Hause kam, seine Mama kam mit einem Kind in Neds Alter nicht klar, und im Trailer war es ohne sie und ihr Babygehätschel und all das viel zu ruhig. Außerdem sei mit der Post ihr Katalog gekommen, und sie könne doch mal darin herumblättern und sich was Hübsches für den Frühling aussuchen, gut möglich, dass er es für sie bestellen würde. Gail setzte Ned an die andere Brustwarze und schien mit jedem Tropfen weniger Schmerzen zu spüren. Sie meinte, es müsse sich verdammt noch mal einiges ändern. Er könne nicht über jede einzelne Minute ihres Tages bestimmen. Okay, meinte Floyd. Aber das Wichtigste ist diese gottverdammte Heather. Du musst aufhören, mit Heather zu vögeln. Floyd sagte kein Wort. Sonny und Harold schlichen näher, um die Brust zu betrachten, an der das Baby nuckelte. Einen Moment lang war sein Saugen das einzige Geräusch.Floyd zündete sich eine Zigarette an, stand auf und ging hinaus. Gail hielt das Baby hoch und machte: Schau mal, wer da ist. Schau mal, wer da ist. Die Tür ging auf, Floyd stellte einen schwarzen Koffer und die blaue Tasche mit den Babysachen ab, trat wieder hinaus und schloss die Tür. Die beiden Jungs setzten sich auf die Couchlehne und starrten auf Gails Brust, und als Floyd davonfuhr, huschten die Scheinwerfer von seinem Pick-up übers Fensterglas. Ree ging hinter die Couch und massierte Gails Nacken. »Ist schon gut. Er wird zurückkommen. Er kommt und holt dich, spätestens am Wäschetag, da wette ich. Er wird dir erzählen, wie dick und launisch Heather auf einmal geworden ist, ganz ehrlich, und wie sehr er dich vermisst. Komm nach Hause, Schätzchen, das Waschmittel steht unter der Spüle.« Gail sagte: »Wenigstens hat er diesmal nicht versucht, mich anzulügen. Hast du’s gemerkt?«

IM BAWBEE STORE schob Ree den bockigen Einkaufswagen, Ned lag in der Trage, Gail ging neben ihr. Ned sabberte im Schlaf, während Ree und Gail wie ein Ehepaar einkaufen gingen. Die Räder des Einkaufswagens schielten, und der Wagen rollte nicht dorthin, wohin er eigentlich sollte, sondern quietschte in sichelförmigen Kurven erst zur einen Seite des Gangs, dann zur anderen. Ree beugte sich vor und schob den Wagen so, als würde sie eine krumme Furche pflügen, hielt gut fest und wuchtete das Ding mehr oder weniger dorthin, wo sie hin wollte. Sie packte Nudeln, Reis und Trockenbohnen in den Wagen. Vorher hatte sie schon Suppendosen, Tomatensauce und Thunfisch hineinfallen lassen, eine ganze Lyoner, je zwei Packungen Haferflocken und Maisschrot, dazu drei Familienpackungen Hackfleisch. Sie blieb stehen, besah sich ihre Ladung und hielt einen Finger an ihre Lippen. Dann stellte sie den Reis wieder ins Regal und schnappte sich noch mehr von den Nudeln. »Ich bin nicht sicher, ob es falsch war, was er getan hat.«
    »Bei all den Nudeln brauchst du doch noch Käse, oder?«
    »Der ist zu teuer. Darauf verzichten wir.«
    »Entweder er hat was gestohlen oder geplaudert. Das sind die Dinge, für die sie einen umbringen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dad gequatscht hat. Er war kein feiger Hund.«
    »Der Käse hier ist gar nicht so teuer.«
    »Nein, lass mal.«
    »Und schmecken tut der richtig gut.«
    »Nein. Wenn die Jungs erst mal

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