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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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Hawkfall«, sagte Harold. »Soll ich die beiden verprügeln?«
    »Nein, Harold.«
    »Mit einem bin ich befreundet, aber ich kämpfe trotzdem mit ihm, wenn du es sagst.«
    »Nein. Tu’s nicht. Nicht jetzt.«
    »Wann dann?« fragte Sonny.
    »Ich sag euch Bescheid.«
    Die Jungs brachen auf, um ihren Bus zu erwischen. Die Morgensonne übergoss das Innere des Hauses mit Gold und warf eine grell scheinende Pfütze auf den Tisch. Ree spürte, wie ihr davon schwindlig wurde, in diese Pfütze zu starren, sie stand auf und setzte sich in Moms bequemen Schaukelstuhl. Sie schluckte die letzten weißen Hysterektomietabletten und summte zum Spiel der Geiger. Die Musik gehörte zu einer Ballade, deren Wörter in Vergessenheit geraten waren, deren Melodie aber noch immer leicht mitzusummen war. Gail stand an Rees Stelle an der Spüle, wusch mit hängenden Schultern das Geschirr ab und sah durchs Fenster hinaus auf den steilen Hang aus Kalkstein und Schlamm. Ree beobachtete Gails kräftigen Rücken und ihre schrubbenden Hände, dann hatte sie plötzlich ein Bild ihrer selbst vor Augen, wie sie, durch Morgenpillen ruhiggestellt, neben dem Kanonenofen saß und zur Musik von unsichtbaren Fiedlern summte, und sofort fing sie an, auf Moms Schaukelstuhl zu zittern, sie zitterte und fühlte sich am ganzen Körper flau. Die schwach gewordenen Teile in ihr gaben nach wie Schlammbänke in einem reißenden Bach, sie fielen nach innen und verspritzten große wabernde Gefühle, die nicht zu ertragen waren.Sie packte die Armlehnen und drückte und drückte, bis sie endlich auf die Füße kam. Dann ging sie zum Tisch hinüber und legte ihren Kopf flach in die Pfütze.
    Ich werde niemals verrückt werden!
    Gail legte den Spüllappen über die Armatur, drehte sich um und sagte: »Fertig.«
    »Es war wahnsinnig lieb von dir, einzuspringen.«
    Gail beugte sich über Ned, zupfte seine Decke zurecht und zog seine Babymütze gerade. »Ich muss dir einen Ort zeigen, Süße. Einen Ort, von dem man sagt, dass man sich besser fühlt, wenn man so zerschunden ist.«
    »Ich weiß nicht. Ich bin so steif.«
    »Hier. Nimm das.« Gail holte einen Besen aus der Ecke, einen alten dreckigen Besen, mit kurzen Strohborsten, die vom langen Gebrauch schon ganz stumpf waren. »Du kannst den Besen als Krückstock benutzen. Wir fahren, aber ein Stückchen musst du schon gehen.«
    Der Besen half. Ree hielt sich das Strohende unter die Achsel und stützte sich damit auf. Sie setzte den Besenstiel auf den Boden und ging mit Holzbeingeräuschen zu Moms Tür. Dann lehnte sie sich gegen den Türrahmen und blinzelte in die Schatten hinein.
    »Mom, du kannst ruhig rauskommen. So sehe ich jetzt aus. Ich weiß, es macht dir Angst, mich zu sehen, aber du kannst ruhig rauskommen und dich ein bisschen in die Sonne setzen. Dein Schaukelstuhl ist schon angewärmt. Ich werd nicht immer so aussehen, nur eine Weile noch, dann bin ich fast wieder die Alte.«
    »Bist du so weit?« fragte Gail.
    Es kam keine Antwort aus dem dunklen Zimmer, kein Wort, keine Bewegung, also machte Ree kehrt und knarzte zur Haustür, indem sie den Besenstiel fest aufsetzte. Sie nahm Großmutters Mantel vom Haken und glitt in die Ärmel.
    »Denkst du, ich sollte eine Schrotflinte mitnehmen?«
    »Würd ich machen. Falls du sie brauchst, wirst du keine Zeit mehr haben, jemanden nach Hause zu schicken, um sie zu holen.«
    »Hätte nichts dagegen, falls es wirklich nötig wäre. Ich wüsste da schon ein paar Ziele.«
    »Na, hoffentlich kommt es nicht dazu, solange Ned in der Nähe ist.«
    Gail trug das Baby, während Ree mit der Schrotflinte die Verandatreppe hinunter zu dem alten Pick-up humpelte.
    Eine paar Frauen beobachteten sie von der anderen Bachseite aus. Sonya, Betsy und Permelia standen mit zwei Tankersly-Frauen aus Haslam Springs zusammen und zwei weiteren Frauen, die Ree nicht erkannte. Gail startete den Motor und rollte den Weg hinunter. Als sie auf einer Höhe mit den Frauen war, winkte sie.
    »Weswegen stehen die da drüben?« fragte Ree.
    »Wegen dir, wette ich. Die eine ist Jerrilyn Tankersly und die andere ist Pam, glaube ich.«
    »Die beiden kenne ich. Aber wer sind die anderen beiden?«
    »Eine ist eine Boshell. Da bin ich mir ziemlich sicher. Und die andere eine Pinckney, die einen Milton geheiratethat. Die Große ist die Boshell. Die beiden sind aus der Gegend von Hawkfall.«
    »Glaubst du, die fragen nach mir?«
    »Sieht so aus, als würden sie nicht viel aus Sonya rauskriegen. Ihre Lippen bewegen

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