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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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was falsch gemacht hat, und das hat er, also … das würde an mir nagen, wenn ich wüsste, wen sie geschickt haben. Würde an mir nagen wie rote Ameisen. Und dann … dann kommt irgendein Abend … ein Abend, an dem ich ein Mal mehr schnupfe als nötig, und dann gehe ich irgendwohin und sehe, wie dieses Arschloch, der’s getan hat, ein Bier trinkt oder über einen Witz lacht, und … Scheiße … das war’s dann. Dann sind sie alle hinter mir her … Buster Leroy, Little Arthur,Cotton Milton, Whoop Milton, Dog, Punch, Hog-jaw … dieser tränenäugige Sack von Sleepy John. Aber egal, Mädchen, ich helf dir, ich halt dir den Rücken frei, damit du seine Knochen finden kannst, aber abgemacht, selbst wenn du weißt, wer meinen Bruder getötet hat, darfst du es mir nicht sagen. Wenn ich das weiß, dann bin ich auch dran. Verstanden?«
    Ree schob ihre Hand von der Schrotflinte über den Sitz zu Onkel Teardrops Arm, drückte ihn, drückte noch mal. Er drehte den Kopf weg und startete den Motor. Tote Äste kratzten am Pick-up und fielen zu Boden. Er fuhr aus dem Obstgarten hinaus über das holprige Feld zur Straße. »Du siehst schlimm aus«, sagte er, »wir müssen deinen Hintern nach Hause schaffen.«
    Die Welt in Rees Blickfeld schlug Wellen, bis sie das Auge schloss und ihren Kopf an die Scheibe sinken ließ. Teardrop nahm die Schotterpisten, die kürzeste Strecke zum Haus, und als der Pick-up den zerfurchten Weg hinunterholperte, hupte er. Ree schlug das Auge auf. Teardrop blieb direkt unterhalb der wellenschlagenden Veranda mit der wackligen Brüstung stehen, stieg aus, ging um den Pick-up herum und machte Rees Tür auf. Gail kam die Stufen heruntergesprungen und rannte mit ihrem Echo um die Wette, die Jungs blieben zu viert in der Tür hinter ihr stehen. Sie erstarrten beim Anblick von Rees Gesicht. Gail fing an zu weinen. Teardrop und sie hoben Ree von der Sitzbank. Ree spuckte den Knebel aus, lehnte ihren Kopf an Gail und flüsterte: »Hilf mir beim Waschen. Verbrenn die Kleidung. Bitte. Bitte, hilf mir beim Waschen.«

ALL IHRE LEIDEN taten sich zu einem Chor zusammen und sangen den Schmerz in Fleisch und Gedanken. Gail stellte sie nackt hin und säuberte sie, wie sie ihr Baby säuberte, nahm den dreckigen Rock, um ihr die Exkremente vom Hintern und den Oberschenkeln und den Kniekehlen abzuwischen. Gail berührte die auftauchenden Striemen und blauen Flecken mit ihren Fingern und zitterte zwischen Tränen. Als Ree sich rührte, fiel sie in sich zusammen, und der Chor in ihr schlug neue, scharfe Töne an. Rees Leiden war das Lied, und dieses Lied kannte viele Stimmen. Gail setzte sie vorsichtig in die Badewanne, wo sie, bis zum Kinn in lauwarmem Wasser, bemerkte, dass der Chor leiser wurde, bis auf die Sänger in ihrem Kopf.

DIE FRAUEN AUS RATHLIN VALLEY überquerten den Bach und besahen sich Ree, noch während sie in der Wanne lag. Sonya führte Betsy und Caradoc Dollys Witwe Permelia, der das dritte Haus auf der anderen Seite gehörte, ins Bad und schloss die Tür vor den blassen Gesichtern der wartenden Jungs. Ree lag im Wasser, auf dem ein wenig Schaum schwamm, und schaute aus ihrem unverletzten Auge. Die Frauen standen beisammen und schauten sich unzählige blaue Flecken auf milchiger Haut an, das geschwollene Auge, den zerschundenen Mund. Sie pressten die Lippen zusammen und schüttelten die Köpfe. Permelia, uralt, aber agil, Zeugin vieler Wunden, sagte: »Es gibt einfach keinen Grund, ein Mädchen so zuzurichten.«
    »Merab brennt schnell die Sicherung durch«, meinte Sonya.
    »Von den Stiefeltritten ist sie ganz bunt.«
    »Ihre Schwestern haben ihr geholfen.«
    Betsy, Frau von Catfish Milton, jung ergraut, aber hübsch, schauderte es vor Mitgefühl. Betsy war nie gesprächig gewesen, doch in den Jahren, nachdem sie ihre liebste Tochter durch einen Ast verloren hatte, der an einem strahlend blauen Tag einfach heruntergefallen war, konnte man sie gelegentlich nachts hören, wie sie aufdem Hof stand und jene funkelnden Sterne beschimpfte, die sie am meisten beunruhigten. Sie kniete neben der Wanne, legte eine Hand auf Rees Bauch und ließ sie sanft kreisen, erhob sich dann zitternd und eilte hinaus.
    Durch die Badezimmertür drang der Lärm der Jungs, die im Wohnzimmer schnieften. »Seid still, verdammt«, fauchte Onkel Teardrop, und sie verstummten.
    Permelia sagte: »Also, ich sage, das ist falsch. Ein Mädchen derart zuzurichten kann nicht recht sein. Nicht unter den eigenen Leuten.«
    »Man kann drei

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