Winters Knochen
Besenstiel stochernd ein paar Stufen aus Holzbohlen hinunter, Gail folgte mit Ned in seiner schwingenden Trage. An einer Kiesstelle neben dem Wasserbecken blieben sie stehen.
»Ich mach uns erst mal Feuer. Für später, wenn wir rauskommen und nass sind. Also ruh dich erst mal aus, bis wir ein hübsches Feuerchen haben, hast du gehört? Dann werden wir dich richtig verarzten.«
»Okay.«
»Ich stelle Ned solange hier ab.«
»Okay.«
Das Wasser hatte die Farbe des Edelsteins, den Ree für einen bedeutungsvollen Ring auswählen würde. Sie lehnte sich auf den Besen, dessen Spitze im Kies versank. Abwesend starrte sie in das Becken mit dem juwelenfarbenen Wasser, immer noch zugedröhnt von den Tabletten. Wo der Bach das Becken verließ, war das Wasser so klar, dass sie jeden einzelnen Stein auf dem Grund sehenkonnte, wogendes Grün und nervöse kleine Fische, die bachaufwärts schwammen.
Ree setzte sich neben Ned und sah sich um. An einem Seil hing eine Schöpfkelle am Baum neben der Quelle, für die Alten, die noch immer herkamen, die Kelle in das frische Wasser eintauchten und davon tranken. In der Schule hatten die Lehrerinnen gesagt, man solle das nicht mehr tun, irgendwas sei bis ins Herz der Erde gedrungen und habe wahrscheinlich auch die tiefsten Quellen verdorben, doch viele der Alten tranken noch immer aus der Kelle. Das Wasserbecken hatte einen bestimmten Duft, einen gesegneten, geschmacksreichen Duft, dem die Menschen oft nicht widerstehen konnten, irgendetwas an ihm brachte sie dazu, sich vorzubeugen, zu trinken, aufzustehen und sich dann ins Wasser fallen zu lassen.
Das Feuer brannte erst schlecht, doch Gail fütterte es mit Zweigen, bis sie die erste zitternde Flamme hatte, die sie in aller Ruhe zu einem anständigen Feuer anfachte. Der Qualm beugte sich dem Wind und zog bachabwärts über das Wasser davon. Die Hitze des Feuers reichte zwei ausgestreckte Arme weit, und Ned wurde dort abgestellt, wohin noch die Hand reichte. »Auf die Beine, Schätzchen«, sagte Gail. »Zeit, dich auszuziehen.«
»Vielleicht kommen ja noch andere Leute, was meinst du?«
»Ach herrje, hoffentlich nicht. Die würden uns ja dann beide nackt sehen.«
Ree stand auf, ließ Großmutters Mantel auf den Kies fallen, knöpfte ihre Sachen auf und sagte: »Ich weiß garnicht mehr, wann ich das letzte Mal nackt gebadet habe.«
»Ich wette, das war in dem Teich hinter Mr. Seiberlings Haus. Das war ein wunderbares Badeloch, damals, bevor sie mit der Viehzucht angefangen und den Teich zugekippt haben.«
»Ja, stimmt.«
Gail zog sich schnell aus, dann kauerte sie sich hin und knöpfte Rees Stiefel auf, zog sie aus und stellte sie ans Feuer. Ree stand nackt im Wind und sah hinauf zu den hohen überhängenden Felsen. Ihre vielen Flecken änderten fast stündlich die Farbe, alle boten jedoch denselben schmerzhaften Anblick. Gail nahm Rees Hand, und gemeinsam stiegen sie in die Quelle von Bucket Spring. Beintief wateten sie ins kalte Wasser. Sie zitterten am ganzen Körper, ihre Zähne klapperten, und sie sahen sich mit weit aufgerissenen Augen an, bis sie beide lachen mussten. Gail ging weiter, zog Ree ins dunkle Zentrum des Wasserbeckens, ihre Füße rutschten über die Steine, ihre Beine waren taub von der Kälte. Sie hockte sich hin, das Wasser stieg ihr bis an den Hals, und sie sagte: »Setzen.«
Ree ließ sich ins Wasser sinken und setzte sich im Schneidersitz auf den steinernen Grund. Sie senkte ihr Gesicht, hielt die Luft an, überließ die Knoten und wunden Stellen ihres Körpers dem Wasser. Die Kälte durchfuhr sie wie der Wind. Als sie wieder aufschaute, sagte sie: »Mann! Das pustet einem ja glatt die Schmerzen weg!«
»Ja, genau. Und jetzt gehst du raus und wärmst dich ein wenig. Dann machen wir das noch mal.«
Sie stiegen aus der Quelle und rieben sich die Haut, die jetzt nicht mehr rosa, sondern rot war, Kringel nasser Haare klebten ihnen im Nacken. Nachdem sie sich die Mäntel umgehängt hatten, hockten sie sich ans Feuer und schauten den Flammen zu.
»Ich geh zurück nach Hause«, sagte Gail.
»Nach Hause?«
»In den Trailer. Zurück in den Trailer.«
»Wirklich? Warum?«
»Ned braucht mehr als nur mich im Leben, Ree. Das solltest du am besten wissen. Außerdem hast du all diesen Ärger am Hals, und ich sollte mich da nicht einmischen, schon gar nicht mit dem Baby.«
»Ich schätze, die sind wohl fertig mit mir.«
»Du weißt nicht, was noch passieren wird. Ned und ich müssen heim.«
Ree warf
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