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Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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verschiedene Schuhabdrücke auf ihren Beinen erkennen«, bemerkte Sonya. »Die müssen eine ganze Weile damit verbracht haben, sie so zuzurichten.« Sie schüttelte den Kopf, gab Gail ein orangefarbenes Pillendöschen aus Plastik und sagte: »Schmerztabletten von Betsys Hysterektomie. Gib ihr erst mal zwei.«
    »Nur zwei?«
    »Sie wird mehr wollen, aber erst mal nur zwei, und von da an so viele, bis sie schlafen kann.«

BEI SONNENUNTERGANG LAGEN auf dem Boden neben Rees Bett drei Sorten von Schmerztabletten und ihre Zähne. Im Kopf richtete sie eine Höhle ein. Die Zähne sahen aus wie Babyknollen, die hinter dem Schuppen wachsen und mitsamt ihren harten, gegabelten Wurzeln ausgerissen worden waren. Victoria kam vorbei, setzte sich ans Fußende und betrachtete abwechselnd Ree, die niedergetrampelt da im Bett lag, und die zwei Zähne auf dem Boden. Ree konnte die Lücke mit der Zunge spüren. Victoria wurde ganz bleich, sprach irgendwelche Beschwörungsformeln, vielleicht aber auch nicht, ließ ihr aber zwei Sorten von Onkel Teardrops Pillen da, die sie in warme, rosige Wolken hüllten. Die Möbel den Hang hinaufzubugsieren, das würde am schwersten werden. Dazu bräuchten sie jede Menge Seile. Die Betten kommen in die Mittelkammer der Höhle, vielleicht etwas weiter vom Feuer weg, aber nicht zu weit. Die Jungs hier, Mom da. Tisch und Stühle, die beiden Gewehre, Tante Bernadettes Kommode … oder ruiniert die Feuchtigkeit in der Höhle die guten Holzmöbel? Vielleicht wirft das Furnier Wellen, oder die Schubladen verziehen sich, sodass sie sich nicht mehr öffnen lassen?
    Vielleicht sollte sie die guten Sachen verkaufen.
    Und in der Stadt neue Zähne für sich besorgen.
    Die Jungs schlichen sich in den frühen Abendstunden zu ihr rein und saßen mit gesenkten Köpfen auf ihrem Bett, als wünschten sie sich, sie könnten die uralten Verse auswendig, um sie gesundzubeten. Harold hielt ihr ein kühles Tuch auf das geschwollene Auge. Sonny ballte die Fäuste und sagte: »Worum ging es bei dem Kampf?«
    »Dass ich so bin, wie ich bin, nehme ich an.«
    »Wie viele waren es?«
    »Ein paar.«
    »Sag uns die Namen. Für später, wenn wir groß sind.«
    »Ich fühl mich gerade rosig, Jungs. Lasst mich schlafen.«
    Man könnte einen großen Teppich auf dem Höhlenboden ausrollen, damit es nicht so staubt und man es weich hat unter den Füßen. Nimm den Kanonenofen mit. Laternen, Wäscheleine, Messer. Noch mehr Steine am Eingang aufschichten. Alle Nachttöpfe mitnehmen und unter die Betten schieben. Etwas zum Kochen … Dosenöffner, Handseife … Oh, Mann.
    Ree schlief bis in die tiefen Nachtstunden. Sie zuckte im Schlaf zusammen, versuchte den Fäusten auszuweichen, die in ihren Träumen flogen. Aus dem Dunkeln hervorschießende Stiefel, das fürchterliche Grunzen von Frauen, die sich im Recht fühlten, wen auch immer zu verprügeln. Thumps kantiges Gesicht mit den kalten Stellen … Die Hüte … Dads blutüberströmter Körper, der kopfüber an einem Ast hing, damit das Blut aus seinem aufgeschlitzten Hals in einen schwarzen Eimer floss, der unter ihm stand.
    Ich werde niemals verrückt werden!
    In dem Eimer ein Goldfisch mit einer glänzenden Schwanzflosse, die strahlende Wörter ins Blut schrieb, strahlende Wörter, die so schnell verschwammen, dass man sie nicht entziffern konnte, man musste raten, worum es sich handelte und was der Fisch damit meinte.
    Ich werde niemals verrückt werden!
    »Süße«, fragte Gail, »brauchst du noch mehr Tabletten? Du wirfst dich hin und her.«
    »Okay. Nimm die blauen.«
    »Ich habe kein Wasser.«
    »Ich muss sowieso aufs Klo.«
    »Hier sind zwei.«
    Ree stand auf und ging über den kalten Boden, ging langsam und gebeugt. Schmerzmonde leuchteten auf ihrem Körper, und als sie ging, donnerten die Monde gegeneinander und machten sie benommen. Als sie sich auf das Klo setzte, dehnten sich all die steif gewordenen Stellen und lösten neue Schmerzen aus. Ree nahm die Tabletten und trank aus hohlen Händen am Wasserhahn. Dann schlurfte sie durch die Dunkelheit zurück.
    Der Gewehrlauf warf einen Schatten, und sie sah den Schatten, bevor sie den Mann sah. Der Mann saß auf der Couch am Fenster, und das Gewehr stand an der Lehne. Ree spürte, er beobachtete sie, doch sie versuchte trotzdem, so still wie die Dunkelheit zu sein und in ihr aufzugehen. Sie vergaß zu atmen, bis Onkel Teardrop sagte: »Geh wieder ins Bett.«
    »Was … ist los?«
    »Ich traue den Leuten nicht, das ist alles.«
    Sie

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