Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winters Knochen

Winters Knochen

Titel: Winters Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
Vom Netzwerk:
wenig in ihrem Nest herumstochern, mal sehen, was passiert.«
    Kann sein, dass sie etwas sagte, vielleicht aber auch nicht. Ree war sich selbst nicht sicher, aber Teardropschaute sie weiter an, mit Augen wie Löcher, die in sein flackerndes Gesicht gebrannt worden waren. Er nickte, also mussten wohl Wörter aus ihrem Mund gekommen sein, doch was sie gesagt hatte, entging ihr, bis ein paar Möglichkeiten sich zu Gedanken sammelten und ihr einen Schrecken einjagten. Sie setzte sich aufrecht hin, kurbelte das Fenster herunter und steckte ihren langsamen Kopf in den kalten Wind. Orte huschten in weißer Eile vorbei. Sie kurbelte die Scheibe wieder hoch und fragte: »Was hab ich gerade gesagt?«
    »Wieso?«
    »Ich hab doch gerade irgendwas gesagt, oder?«
    »Hör zu, Mädchen. Mit deiner Klugscheißerei brauchst du gar nicht anzufangen. Wir sind gleich da.«
    Ree fiel auf, dass sie wieder mit beiden Augen sehen konnte. Das eine Auge bot zwar nur einen Schlitz, wie ein Schlüsselloch, aber es half, die Szenerie zu stabilisieren. Zu sehen gab es nicht viel, nur eine weiße Wildnis, Weiß am Boden und Weiß, das zu Boden stürzte. An den Straßenkreuzungen sah sie sich nach Hinweisen um, wohin er sie wohl brachte. Hauslichter und Hoflampen waren aber nicht mehr als unscharfe Leuchtflecken. Die Reifen des Pick-ups donnerten über eine Brücke, und Ree sah runter zum Wasser, das die Flocken auffraß und aussah wie ein schwarzer Hals zwischen breiten weißen Schultern. Ree kannte diesen Wasserhals vom Sehen, sie wusste, dass sie Big Chinkapin Creek überquert hatten.
    »Oh, nein«, sagte sie. »Ist das wirklich eine gute Idee?«
    »Ist die einzige, die ich habe.«
    »Du fährst zu Buster Leroy, richtig?«
    »Hab ich dir doch erzählt.«
    »Ich hab dich nicht verstanden, als du das gesagt hast.«
    »Na, jetzt schon.« Er nahm die Whiskeyflasche und drückte sie ihr in die Hand. »Trink ’n Schluck, Mädchen, und hör auf zu quatschen. Ich bin schon seit Tagen auf Meth, hab kaum was gegessen, und jetzt hab ich die Schnauze voll, rumzusitzen und darauf zu warten, dass was passiert.«
    Ree spürte ein Brennen in Kehle und Brust, dann schraubte sie die Flasche zu und legte sie auf den Sitz. Teardrop fuhr, als sei die Straße dreispurig, ihm aber immer noch nicht breit genug. Die Flasche rollte gegen Rees Hüfte, sie griff nach ihr und nahm einen weiteren Schluck, gerade als sie oben auf einem lang gezogenen Hügel ankamen und sie dachte, sie würden irgendwo zwischen hier und dem Tal abheben. Sie schloss die Augen und spürte, wie der Wagen schwankte und rutschte, sie hörte die Bremsen quietschen, die Schaltung grunzen und Onkel Teardrop lachen. Ree schloss die Augen und wurde vom Whiskey und den Tabletten davongetragen. Sie versank in einen flachen Schlaf, der schnell tiefer wurde, und als sie die Augen wieder aufschlug, war da ein Farmhaus, und ein Hund sprang gegen die Scheibe, an der ihr Gesicht ruhte, gebleckte Zähne und schaumige Lefzen Zentimeter von ihren Lippen entfernt.
    Teardrop stand auf den Stufen einer breiten Veranda, die zu einem Steinhaus gehörte, dessen Außenlichter hell brannten. Überall wirbelten Schneeflocken umher. DerHund rannte knurrend zur Veranda hinüber, und Teardrop verpasste ihm einen Tritt, dass er kopfüber in den Schnee purzelte, also kehrte er zurück, sprang nach ihrem Gesicht und knurrte. Jemand in einem roten T-Shirt stand an der Tür und hielt eine Pistole in der Hand, mit der er zwar nicht auf Teardrop zielte, aber wild herumgestikulierte. Buster Leroy, nahm Ree an … Dann hörte sie, wie die Reifen des Pick-ups durch frischen Schnee fuhren, hielt die Augen aber geschlossen, auch als sie ein hupendes Auto hörte, einen bellenden Köter und grausames Gelächter, hielt Ree sie geschlossen, bis die Bewegungen aufhörten und Stimmen in der Nähe waren und sie zwei Frauen und einen Mann neben den Scheinwerfern stehen sah, die sich mit Teardrop unterhielten. Schneeflocken tanzten um die Scheinwerferstrahlen, kleinere Flocken wehten von der Seite heran und machten ein Geräusch wie Sommerinsekten, die gegen die Scheibe prallen.
    Der Mann lachte und gestikulierte wild im Licht. Die beiden Frauen zogen die Jacken über den Kopf und drängten sich aneinander. Es war der Parkplatz der Tankstelle am BB Highway, Ecke Heaney Cross Road, zugleich auch Einkaufsmarkt und Pfandleihe. Ree döste ein, dann klopften Knöchel an ihre Scheibe und sie kurbelte sie herunter. Die zwei Frauen waren gekommen, um

Weitere Kostenlose Bücher