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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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versuchen, dem Mädchen zu helfen. Sobald ich kann, rufe ich dich an.«
    »Gott sei mit dir, Liebling.«
    Lendon schaltete die Gegensprechanlage ein und sagte kurz und bestimmt zu seiner Sekretärin: »Bitten Sie doch Herrn Dr.
    Marcus, heute nachmittag meine Termine zu übernehmen.
    Sagen Sie ihm bitte, es sei ein dringender Fall. Und sagen Sie meinen Vier-Uhr-Kursus ab. Ich fahre sofort nach Cape Cod.«
    10
    »Wir haben gerade damit begonnen, den See mit dem Schleppnetz abzusuchen, Ray. Außerdem haben wir über Rundfunk und Fernsehen Meldungen herausgegeben. Alle verfügbaren Kräfte werden aufgeboten, um sich hier an der Suche zu beteiligen.« Der Chef der Polizei von Adams Port, Captain Jed Coffin, versuchte den beherzten Tonfall zu finden, den er gewöhnlich annahm, wenn zwei Kinder verschwunden waren.
    Aber obgleich man Ray die Angst und das Entsetzen von den Augen ablesen konnte und er die aschfahle Blässe auf seinem Gesicht sah, fiel es Jed schwer, beruhigend und mitfühlend zu reden. Ray hatte ihn getäuscht. Er hatte ihn seiner Frau vorgestellt, und gesagt, daß sie aus Virginia stammt und Dorothy dort schon gekannt hätte. Er hatte ihm alles mögliche erzählt und nicht ein einziges Mal die Wahrheit gesagt. Und der Captain hatte es nicht geahnt – hatte nicht einmal Verdacht geschöpft. Das war es, was ihn eigentlich ärgerte. Kein einziges Mal hatte er Verdacht geschöpft.
    Captain Coffin war sich über das, was da geschehen war, völlig im klaren. Dieses Weibsstück hatte in der Zeitung den Artikel über sich gesehen, hatte begriffen, daß jetzt jeder wissen würde, wer sie war, und war durchgedreht. Hatte mit diesen armen Kleinen das gleiche gemacht wie damals mit den anderen. Er blickte Ray prüfend an. Er vermutete, daß Ray so ziemlich das gleiche dachte wie er.
    In dem Kamin lagen noch die verkohlten Reste der Morgenzeitung. Der Captain bemerkte, daß Ray dorthin blickte. An der gezackten Form der unverbrannten Teile war ganz leicht zu erkennen, daß sie von jemandem im Zustand höchster Erregung zerrissen worden war.
    »Ist Doktor Smathers noch oben bei ihr?« In der Frage lag eine unbewußte Unhöflichkeit. Bisher hatte er Nancy stets
    ›Mrs. Eldredge‹ genannt.
    »Ja, er will ihr gleich eine Spritze zur Beruhigung geben, die sie aber nicht außer Gefecht setzt. Wir müssen doch noch mit ihr sprechen. Oh, Gott!«
    Ray setzte sich an den Eßzimmertisch und vergrub das Gesicht in den Händen. Erst vor ein paar Stunden hatte Nancy noch auf diesem Stuhl gesessen, Missy auf dem Arm, und Mike hatte gefragt: »Hast du heute Geburtstag, Mami?« Hatte er in ihr etwas ausgelöst, als er verlangte, daß sie den Geburtstag feiern sollten?… und dann dieser Artikel in der Zeitung… Hatte…?
    »Nein!« Ray blickte auf, kniff die Augen halb zu und wandte sein Gesicht von dem Polizisten ab, der an der Hintertür stand.
    »Was sagten Sie?« fragte Captain Coffin.
    »Nancy ist gar nicht fähig, den Kindern etwas anzutun. Was auch geschehen sein mag, das ist es nicht.«
    »Ihre Frau würde den Kindern bestimmt nichts antun, wenn sie ganz bei Sinnen ist, aber ich habe schon erlebt, wie Frauen völlig durchdrehten, und dann ist ja da auch noch die Geschichte…«
    Ray stand auf. Seine Hände umklammerten den Rand des Tisches. Sein Blick ging an dem Captain vorbei – von dem war nichts zu erwarten. »Ich brauche Hilfe«, sagte er. »Echte Hilfe!«
    Das Zimmer war ein einziges Durcheinander. Ehe die Polizei sich auf die Umgebung konzentrierte, hatte sie das Haus kurz durchsucht. Ein Polizeifotograf machte noch immer Aufnahmen in der Küche, von der Stelle, wo der Kaffeetopf umgefallen war und der schwarze Kaffee sich auf den Ofen und den Boden ergossen hatte. Unaufhörlich klingelte das Telefon. »Der Chef wird später eine Erklärung abgeben«, beantwortete der Polizist alle Anrufe.
    Der Polizist kam vom Telefon zum Tisch herüber. »Das war A. P.«, sagte er. »Jetzt haben die Nachrichtendienste Wind davon bekommen. In einer Stunde haben wir die Meute hier am Hals.«
    Die Nachrichtendienste. Ray erinnerte sich noch an den gequälten Blick, der nur ganz langsam aus Nancys Gesicht gewichen war. Er dachte an das Bild in der heutigen Morgenzeitung, wie sie die Hände erhoben hatte, als ob sie versuchte, Schläge abzuwehren. Er drängte sich an Captain Coffin vorbei, stürzte die Treppe hinauf und öffnete die Tür zum Elternschlafzimmer. Der Doktor saß direkt neben Nancy und hielt ihre Hand. »Sie können mich

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