Wintersturm
hatte es wirklich nötig, das zu hören.«
Unbewußt hatte sie sich bei ihm eingehakt. Bewußt nahm er ihre Hand in seine. »Die Straßen sind immer noch tückisch glatt«, sagte er. »Wenn Sie jetzt nach Hause wollen, wäre ich ruhiger, wenn Sie mich fahren ließen.«
Es ist vorüber, dachte Nancy. Es ist vorüber. Sie drückte ihre Arme fester um ihr schlafendes Kind. Missy bewegte sich, murmelte »Mami« und atmete dann wieder gleichmäßig und leise weiter.
Nancy blickte zu Michael hinüber. Er hatte sich an Ray gelehnt. Nancy sah zu, wie Ray ihn behutsam auf seinen Schoß zog. »Du wirst langsam müde, mein Junge«, sagte Ray. »Ich glaube, daß ihr kleinen Racker so allmählich ins Bett müßt.
Das war ja doch ein ziemlich anstrengender Tag.«
Nancy dachte daran, was sie empfunden hatte, als diese starken Arme sie umschlangen, sie gehalten und sie und Missy vor dem Absturz bewahrt hatten. Es würde wohl immer so mit Ray sein. Der würde sie immer beschützen. Und sie hatte heute die Augen aufgehalten und verstanden und rechtzeitig gehandelt.
Aus dem Urquell ihres Seins stieg ein Gebet in ihr empor, ins Herz und in die Seele: Ich danke dir, ich danke dir, ich danke dir. Du hast uns vom Übel erlöst.
Sie bemerkte, daß der Graupel nicht mehr gegen die Fenster prasselte und daß das Heulen des Windes verebbt war.
»Mami«, sagte Michael, und seine Stimme klang jetzt ganz müde. »Jetzt haben wir gar nicht deinen Geburtstag gefeiert, und ich habe gar kein Geschenk für dich bekommen.«
»Mach dir nur keine Sorgen, Mike«, sagte Ray. »Wir werden morgen Mamis Geburtstag feiern, und ich weiß auch schon ganz genau, was wir ihr schenken werden.« In einer wundersamen Weise wichen die Anspannung und die Müdigkeit aus seinem Gesichtsausdruck, und Nancy sah, wie es in seinen Augenwinkeln funkelte. Er blickte sie direkt an.
»Ich werde dir sogar verraten, was es ist, Liebling«, sagte er freimütig. »Von den Kindern bekommst du Kunstunterricht bei einem wirklich guten Lehrer und von mir eine kleine Auftragsarbeit mit Farben im Schönheitssalon.«
Er stand auf, legte Michael bequem in den Sessel zurück und kam zu ihr herüber. Als er vor ihr stand, betrachtete er aufmerksam den Scheitel in ihrem Haar. »Ich hab’ nämlich so das Gefühl, daß du eine verdammt hübsche Rothaarige bist, Liebling«, sagte er.
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