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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Schrecken ergriff Nancy Rays Arm.
    »Liebling. Das ist doch nur deshalb, weil wir helfen müssen, die Kinder zu finden. Es ist alles in Ordnung.«
    Sie schluckte den Kaffee hinunter. Sein stark gebrannter Geschmack und seine Wärme taten ihr gut. Wenn sie doch nur denken könnte… nur aufwachen… nur diese schreckliche Müdigkeit ablegen könnte.
    Ihre Stimme. Sie konnte wieder sprechen. Ihre Lippen fühlten sich wie Gummi an, dick, schwammig. Aber sie mußte sprechen… mußte ihnen helfen, die Kinder zu finden. Sie wollte nach unten gehen. Sie durfte nicht hier bleiben… nicht wie beim letzten Mal in ihrem Zimmer warten… unfähig hinunterzugehen… und mit den Leuten unten sprechen… den Polizisten… den Frauen der Professoren… Haben Sie irgendwelche Verwandte? Sollen wir jemanden verständigen?… Nein, niemanden… niemanden… niemanden…
    Sie stützte sich schwer auf Rays Arm und stand schwankend auf. Ray. Jetzt hatte sie seinen Arm, auf den sie sich stützen, an dem sie sich halten konnte. Und es waren seine Kinder. Seine Kinder.
    »Ray… Ich habe ihnen nichts getan…«
    »Natürlich nicht, Schatz.«
    Die Stimme viel zu besänftigend… der erschrockene Tonfall.
    Natürlich, er war erschrocken. Er fragte sich, warum sie das überhaupt bestritt. Keiner guten Mutter käme doch nur der Gedanke, ihren Kindern etwas anzutun. Warum aber sagte sie…?
    Mit äußerster Anstrengung tastete sie sich vorwärts zur Tür.
    Mit seinem Arm um ihre Hüfte ging sie etwas sicherer. Ihre Füße spürte sie gar nicht. Sie waren gar nicht da. Sie war gar nicht da. Es war wieder nur ein Alptraum. In ein paar Minuten würde sie aufwachen, wie in so vielen anderen Nächten, leise aus dem Bett schlüpfen und nach Missy und Michael sehen, sie zudecken und wieder zurück ins Bett gehen – leise, ganz behutsam, ohne Ray aufzuwecken. Aber im Schlaf würde er die Arme ausstrecken und sie dann eng an sich ziehen, und bei seinem warmen Körpergeruch würde sie sich beruhigen und wieder einschlafen.
    Sie gingen jetzt gerade die Treppe hinunter. So viele Polizisten … Alle schauten herauf… merkwürdig still… als wäre die Zeit angehalten worden.
    Captain Coffin stand am Wohnzimmertisch. Sie spürte seine Feindseligkeit… Es war wie beim letzten Mal.
    »Mrs. Eldredge, wie fühlen Sie sich?«
    Eine gewohnheitsmäßige Frage, ohne echtes Interesse. Wenn Ray nicht dabei gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich nicht einmal die Mühe gemacht, danach zu fragen.
    »Alles in Ordnung mit mir.« Sie hatte diesen Menschen nie gemocht.
    »Wir suchen nach den Kindern, und wir sind ganz zuversichtlich, daß wir sie bald finden. Aber Sie müssen uns helfen. Wann haben Sie die Kinder zuletzt gesehen?«
    »Ein paar Minuten vor zehn. Ich schickte sie zum Spielen nach draußen und ging nach oben, um die Betten zu machen.«
    »Wie lange waren Sie oben?«
    »Zehn Minuten… höchstens fünfzehn.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich ging nach unten. Ich wollte die Waschmaschine anstellen und dann die Kinder rufen. Aber nachdem ich die Waschmaschine in Gang gesetzt hatte, kam mir der Gedanke, den Kaffee aufzuwärmen. Dann sah ich, daß der Junge den Lokalanzeiger brachte.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nein. Ich will damit nicht sagen, daß ich ihn wirklich gesehen habe. Ich wollte die Zeitung holen, und er verschwand gerade um die Kurve.«
    »Ich verstehe. Was geschah dann?«
    »Ich ging in die Küche zurück. Ich drehte den Brenner an –
    der Kaffee in der Kanne war noch ziemlich warm. Dann begann ich, die Seiten der Zeitung durchzublättern.«
    »Und Sie fanden den Artikel über sich.«
    Nancy blickte starr vor sich hin und nickte mit dem Kopf.
    »Wie reagierten Sie, als Sie den Artikel fanden?«
    »Ich glaube, ich habe aufgeschrien… Ich weiß es nicht…«
    »Was passierte mit der Kaffeekanne?«
    »Ich stieß sie um… Der Kaffee schwappte über und verbrannte mir die Hand.«
    »Wie kam das?«
    »Ich weiß es nicht. Ich wollte es nicht. Es war nur so, daß ich fast außer mich geriet. Ich wußte, daß mich von jetzt an jeder wieder anstarren würde. Sie würden starren und flüstern. Sie würden sagen, ich hätte die Kinder umgebracht. Und Michael durfte das auf keinen Fall zu Gesicht bekommen. Ich schnappte die Zeitung und stopfte sie in den Kamin. Ich steckte ein Streichholz an, und sie brannte… sie fing an zu brennen… und ich wußte, daß ich Missy und Michael holen mußte – ich mußte sie verstecken. Aber es war

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