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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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höchstpersönlich den ganzen Erdball ab, bis ich den Legler, diesen Dreckfinken, gefunden und hierher geschleppt habe, damit er gegen sie aussagt.«
    In Boston lehnte sich Dr. Lendon Miles gerade zurück, um seine Mittagspause zu genießen. Soeben war Mrs. Markley gegangen. Nach einem Jahr intensiver Therapie gelangte sie endlich zu einer gewissen Selbsterkenntnis. Vor ein paar Minuten hatte sie sogar eine lustige Bemerkung gemacht. Sie hatte gerade eine Episode aus der Zeit, als sie vierzehn Jahre alt war, analysiert und gesagt: »Sind Sie sich eigentlich bewußt, daß ich dank Ihrer werten Hilfe Jugendzeit und Wechseljahre gleichzeitig durchlebe? Eine teuflische Therapie!« Noch vor ein paar Monaten hatte sie nicht sehr viel Sinn für witzige Bemerkungen gehabt.
    Lendon Miles war in seinem Beruf glücklich. Der menschliche Geist war für ihn ein empfindliches, kompliziertes Phänomen – ein Geheimnis, das nur durch eine Folge unendlich kleiner Entdeckungen enträtselt werden konnte…
    von denen eine langsam und geduldig zur nächsten führte. Er holte tief Luft. Sein Zehn-Uhr-Patient befand sich noch in einem frühen Studium der Analyse und hatte sich äußerst feindselig verhalten.
    Er schaltete das Radio neben seinem Schreibtisch ein, um noch den letzten Teil der Mittagsnachrichten mitzubekommen.

    Er hörte gerade noch die Meldung.
    Der Anflug eines weit zurückliegenden Kummers zuckte über sein Gesicht. Nancy Harmon… Priscillas Tochter. Nach vierzehn Jahren sah er Priscilla immer noch deutlich vor sich: die schlanke, elegante Figur; die Art, wie sie ihren Kopf hielt; das Lächeln, das wie Quecksilber kam.
    Ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes hatte sie angefangen, für ihn zu arbeiten. Sie war damals achtunddreißig Jahre alt gewesen, zwei Jahre jünger als er. Er hatte fast sofort angefangen, sie zum Essen auszuführen, wenn sie Überstunden machten, und bald wurde er sich bewußt, daß ihm zum ersten Mal in seinem Leben der Gedanke an eine Ehe logisch und sogar lebenswichtig erschien. Bis er Priscilla kennenlernte, hatten ihm Arbeit, Studium, Freunde und Freiheit genügt; er hatte einfach nie jemanden kennengelernt, der ihn dazu gebracht hätte, seinen Status quo ändern zu wollen.
    Im Laufe der Zeit hatte sie ihm von sich erzählt. Nach ihrem ersten Collegejahr hatte sie den Piloten einer Luftverkehrsgesellschaft geheiratet; sie hatte aus dieser Ehe ein Kind, eine Tochter. Sie waren offenbar glücklich verheiratet gewesen. Dann, bei einem Flug nach Indien, hatte sich ihr Mann eine Viruslungenentzündung geholt und war innerhalb von vierundzwanzig Stunden gestorben.
    »Es war sehr schwer, damit fertig zu werden«, erzählte ihm Priscilla. »Dave war schon über eine Million Meilen geflogen.
    Er brachte die Boeing 707 selbst in Blizzards heil runter. Und dann etwas so völlig Unerwartetes… Ich hatte gar nicht gewußt, daß Menschen noch an Lungenentzündungen sterben konnten…«
    Lendon hatte Priscillas Tochter nie kennengelernt. Kurz nachdem Priscilla bei ihm in der Praxis angefangen hatte, war Nancy nach San Francisco auf die Hochschule gegangen.
    Priscilla hatte ihm die Gründe, weshalb sie sie so weit wegschickte, sehr ausführlich dargelegt. Priscilla hatte sich Sorgen gemacht. »Sie lehnte sich allmählich zu eng an mich an«, sagte sie. »Sie ist mit Daves Tod so schwer fertig geworden. Ich möchte, daß sie glücklich und jung ist und daß sie aus dieser Atmosphäre von Kummer und Schmerz, die uns umgibt, herauskommt. Ich hatte Auberley besucht, und in dieser Zeit lernte ich Dave kennen. Bei späteren Treffen hat mich Nancy manchmal begleitet. Deshalb ist es nicht so, als wenn sie dort ganz fremd wäre.«
    Im November hatte sich Priscilla ein paar Tage frei genommen, um Nancy auf dem College zu besuchen. Lendon hatte sie zum Flughafen gefahren. Ein paar Minuten hatten sie am Terminal zusammengestanden und darauf gewartet, daß ihr Flug ausgerufen wurde. »Du weißt doch, daß du mir schrecklich fehlen wirst«, hatte er gesagt.
    Sie trug einen dunkelblauen Wildledermantel, der ihre vornehme blonde Schönheit noch betonte. »Das hoffe ich auch«, sagte sie, und ihre Augen umwölkten sich. »Ich mache mir große Sorgen«, bekannte sie ihm. »Nancys Briefe klingen seit kurzem so niedergeschlagen. Ich habe einfach schreckliche Angst. Hast du schon einmal das Gefühl gehabt, daß etwas Schreckliches drohend über dir schwebt?«
    Dann aber, als sie ihn mit großen Augen anblickte, begannen sie beide

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