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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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er nach, an dem sich die Arbeit der Polizei gelohnt hatte. In seinem Beruf erlebte man so viel Leid und Unglück mit. Es gab Fälle, in denen man den Eltern mitteilen mußte, daß ihr Kind tot war. Augenblicke wie heute, oben im ›Ausguck‹, als sie feststellen konnten, daß beide Kinder in Sicherheit waren, mußten im Andenken bewahrt werden.
    Morgen. Jed überlegte, daß er morgen nicht daran vorbeikam, seine eigenen schuldhaften Versäumnisse zu überdenken. Heute morgen hatte er gegen Nancy ein Vorurteil gefaßt, weil er darüber pikiert war, daß er sie nicht erkannt hatte. Durch dieses Vorurteil hatte er sich den Blick versperrt; deswegen hatte er ignoriert, was ihm Jonathan und Ray und der Doktor und Nancy selbst mitgeteilt hatten.
    Aber er hatte wenigstens den Wagen gefahren und so dafür gesorgt, daß Ray gerade noch rechtzeitig – es ging dabei um Bruchteile von Sekunden… den Balkon auf dem Dach des
    ›Ausgucks‹ erreicht hatte. Niemand sonst wäre in der Lage gewesen, auf der vereisten Straße so schnell den Hügel hinaufzufahren. Als sie gesehen hatten, daß Nancys Wagen in der Straßenkurve gegen den Baum gekracht war, hatte Ray anhalten wollen, aber Jed war weitergefahren. Instinktiv hatte er gespürt, daß Nancy aus dem Wagen herausgekommen war und sich in dem Haus befand. Seine Ahnung hatte ihn nicht getrogen. Damit konnte er sich verteidigen.
    Wortlos goß Dorothy Lendons Tasse wieder voll, als er zustimmend nickte. Mit Michael würde alles in Ordnung gehen, dachte Lendon. Er selbst würde bald wieder hierher kommen und sie besuchen. Er würde mit Nancy und den Kindern sprechen – ihr helfen, die Vergangenheit zu bewältigen, ihr helfen, es so zu sehen, wie es gewesen war, damit es dann endgültig abgetan werden konnte. Nancy würde nicht sehr viel Hilfe benötigen. Es war ein Wunder, daß sie die Zähigkeit besaß, all die fürchterlichen Geschehnisse, denen sie ausgesetzt gewesen war, zu überleben. Aber sie war eine starke Persönlichkeit. Auch von dieser letzten schweren Heimsuchung würde sie sich wieder erholen, fähig, ein normales Leben zu beginnen.
    In Lendon war Frieden eingekehrt. Er hatte sein Versäumnis endlich wieder gutgemacht. Wenn er damals Nancy aufgesucht hätte, als Priscilla starb, wäre so vieles vermieden worden. Er hätte wohl gemerkt, daß mit Carl Harmon etwas nicht stimmte, und er hätte sie irgendwie von ihm losbekommen. Aber dann wäre sie jetzt nicht hier, bei diesem jungen Mann, mit dem sie glücklich verheiratet war. Und diese Kinder lägen nicht in ihren Armen.
    Lendon spürte, daß es ihn jetzt sehr nach Hause zu Allison zog.
    »Kaffee?« Jonathan wiederholte Dorothys Frage. »Ja, vielen Dank. Gewöhnlich trinke ich so spät keinen mehr, aber ich glaube, daß es den meisten von uns heute nacht nicht schwerfallen wird, einzuschlafen.« Er sah Dorothy prüfend an.
    »Wie steht’s mit Ihnen? Sie müssen doch ziemlich müde sein.«
    Er bemerkte, daß sich eine unbestimmbare Schwermut auf ihr Gesicht legte, und er verstand auch den Grund dafür. »Ich glaube, ich muß Ihnen sagen«, meinte er bestimmt, »daß hier keinerlei Selbstvorwürfe geduldet werden. Wir alle haben heute in unglaublicher Weise Tatsachen übersehen, so daß es beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre. Ich zum Beispiel habe mich jeden Morgen, wenn ich an diesem Haus vorbeiging, geärgert, daß mich etwas blendete. Gerade heute morgen noch habe ich überlegt, ob ich Ray bitten sollte, mit dem Mieter im ›Ausguck‹ darüber zu sprechen, ganz gleich, was der hinter dem Fenster stehen hätte. Bei meiner juristischen Erfahrung hätte ich mich daran erinnern müssen.
    Eine Nachprüfung hätte uns sehr schnell zum ›Ausguck‹
    geführt.
    Und es ist auch eine unumstößliche Tatsache, daß Carl Harmon nicht von seinem scheußlichen Vorhaben abgehalten worden wäre, wenn Sie sich nicht entschlossen hätten, Ihre Verabredung einzuhalten und dieses Haus mit Mr.
    Kragopoulos zu besichtigen. Er hätte sich bestimmt nicht von Missy ablenken lassen. Sie haben doch bestimmt zugehört, wie Michael schilderte, was vor Ihrem Anruf gerade passierte.«
    Dorothy hörte aufmerksam zu, dachte nach, und in ihrer grundsätzlichen Ehrlichkeit stimmte sie zu. Eine Last aus Schuld und Gewissensbissen fiel von ihr ab. Sie fühlte sich plötzlich erleichtert und fröhlich. Plötzlich vermochte sie sich rückhaltlos der Freude über die Wiedervereinigung hinzugeben. »Ich danke Ihnen, Jonathan«, sagte sie. »Ich

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