Winterträume
Mitternachtsbankett.«
»Ich mach schon nix dreckich«, erwiderte Rose verärgert. »War ja schließlich zur Entlausung.«
»Egal«, sagte George streng, »wenn der Oberkellner mich hier mit euch plaudern sieht, dann kann ich mich auf was gefasst machen.«
»Oh.«
Die Erwähnung des Oberkellners genügte den beiden als Erklärung; nervös fummelten sie an ihren Käppis herum und warteten, was für einen Vorschlag George ihnen machen würde.
»Hört zu«, sagte George nach einer kleinen Pause, »ich weiß, wo ihr warten könnt; kommt mit.«
Er führte sie zur gegenüberliegenden Tür hinaus, durch einen verlassenen Vorratsraum und über zwei dunkle Wendeltreppen, bis sie sich endlich in einer winzigen Kammer wiederfanden, die mit aufgetürmten Wischeimern und Stapeln von Scheuerbürsten vollgestellt und von zwei trüben Glühbirnen beleuchtet war. Dort ließ er sie, nachdem er ihnen zwei Dollar abgenommen hatte, zurück mit dem Versprechen, in einer halben Stunde mit einer Flasche Whiskey wiederzukommen.
»Wetten, du, der George macht richtich Geld«, sagte Key finster und setzte sich auf einen umgedrehten Eimer. »Wetten, der macht die Woche fuffzich Dollar.«
Rose nickte und spuckte aus. »Da wett ich auch drauf, du.«
»Was hatta gleich nomma gesacht, was das für’n Tanzvergnügen is?«
»Ürgndwie ’n Haufen Collegestudenten. Yale.«
Sie nickten einander wortlos zu.
»Möchte ma wissen, wo die ganzen Kommissköppe inzwischen abgebliem sind.«
»Weiß nich. Ich weiß bloß eins: Das war vadammt weit wech, so weit kann ich nich latschen.«
»Ich auch nich. Das würstu nich erlehm, dass ich so lange latschen tu.«
Nach zehn Minuten wurden sie unruhig.
»Ich kuck ma, was da draußen los is«, sagte Rose und schlich sich vorsichtig zu der anderen Tür.
Es war eine mit grünem Fries ausgeschlagene Tür; er schob sie ganz behutsam einen Spaltbreit auf.
»Ürgndwas zu sehn?«
Rose aber zog statt einer Antwort nur mit einem pfeifenden Geräusch die Luft ein.
»Mannometer! Wenn mich nich alles täuscht, dann is hier lauter Sprit drin!«
»Sprit?« Key gesellte sich zu Rose, der immer noch an der Tür stand, und guckte neugierig durch den Spalt.
»Da kannste Gift drauf nehm’, du, das, was da steht, is würklich Sprit«, sagte er, nachdem er einen Moment konzentriert hingeschaut hatte.
Der Raum war etwa doppelt so groß wie der, in dem sie sich befanden, und was sie dort erblickten, war ein wahres Festbankett an Spirituosen. Auf zwei weiß gedeckten Tischen standen in Reih und Glied, nach Sorten geordnet, lauter verschiedene Flaschen: Whiskey, Gin, Brandy, französischer und italienischer Wermut und Orangensaft, gar nicht zu reden von einer ganzen Kolonne von Siphons und zwei großen leeren Schüsseln für Punschbowle. Und weit und breit kein Mensch zu sehen.
»Das is für dieses Tanzvergnügen da ohm; hat grade angefang’«, flüsterte Key; »hörste die Geigen? Mensch, du, ich hätt ja auch ma wieda Lust zum Tanzn.«
Sie schlossen die Tür ganz leise und zwinkerten einander in wortlosem Einvernehmen zu. Auch ohne Worte wusste jeder, was der andere dachte.
»Ich tät schon gerne ’n paar von diese Pullen da in die Finger kriegen«, sagte Rose entschieden.
»Ich auch.«
»Meinste, uns kann eina sehn?«
Key dachte nach.
»Vielleicht isses besser, wir warten, bis die Sauferei losgeht. Jetzt, wo se grade alles hingestellt ham, wissen se doch ganz genau, wie viele Pullen da stehn.«
Sie debattierten etliche Minuten über diesen Punkt. Rose war dafür, sich jetzt gleich eine Flasche zu schnappen und sie unter seinem Rock zu verstecken, bevor noch irgendjemand in den Raum kam. Key aber riet zur Vorsicht. Er hatte Angst, sein Bruder könnte Ärger kriegen. Sie müssten doch bloß warten, bis ein paar von den Flaschen offen waren, dann wäre es ein Kinderspiel, sich rasch eine zu schnappen, weil dann doch jeder denken würde, dass es einer von den Collegeburschen war.
Während sie noch so hin und her argumentierten, kam George Key herein, rannte an ihnen vorbei, knurrte ihnen bloß kurz irgendwas zu und verschwand durch die grün ausgeschlagene Tür. Gleich darauf hörten sie mehrere Korken knallen, Eiswürfel klirrten, und Flüssigkeit plätscherte in ein Gefäß. George mixte die Punschbowle.
Beglückt grinsten die zwei Soldaten einander zu.
»Mein lieber Scholli!«, flüsterte Rose.
George kam zurück.
»Schön ruhig bleiben, Jungs«, sagte er rasch. »In fünf Minuten hab ich was für
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