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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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euch.«
    Er verschwand durch dieselbe Tür, durch die er eingetreten war.
    Sobald seine Schritte auf der Treppe verhallt waren, schaute sich Rose noch einmal vorsichtig um; dann spurtete er flink in jenes Reich der Wonnen und war im nächsten Augenblick mit einer Flasche in der Hand zurück.
    »Verstehste, wie ich meine?«, sagte er, als sie strahlend dasaßen und ihren ersten Schluck verdauten. »Wir warten, bissa wieda raufkommt, und dann fragen wir ihn, ob wir nich einfach hierbleiben könn’ und das Zeugs trinken, wassa uns bringt – nich wahr? Wir sagen einfach, wir haben nix, wo wir hingehn könn’, um uns ein’ anzutütern – nich wahr? Dann könn wa uns imma, wenn keina da is, heimlich wieda reinschleichen und schiem uns ’ne neue Pulle untan Rock. Das langt dann ersma ’n paar Tage – nich wahr?«
    »Klar«, stimmte Key begeistert zu. »Mein lieber Scholli! Und wenn wa wolln, könn’ wa das Zeuch auch jedazeit an die Kommissköppe verscherbeln, wenn wa wolln.«
    Sie schwiegen einen Augenblick und malten sich die Sache in den rosigsten Farben aus. Dann griff Key sich an den Hals und hakte seinen Uniformkragen auf.
    »Heiß hier drinne, nich wahr?«
    Rose stimmte mit ernster Miene zu.
    »Höllisch heiß.«
    IV
     
    Als sie aus der Garderobe kam und den kleinen Salon durchquerte, der in den großen Saal führte, war sie immer noch verärgert – verärgert, gar nicht so sehr über das eigentliche Ereignis, denn das war schließlich eine Lappalie, die ihr im gesellschaftlichen Umgang jeden Tag passieren konnte, sondern vielmehr darüber, dass ihr das ausgerechnet heute Nacht passiert war. Mit sich selbst brauchte sie nicht zu hadern, denn schließlich hatte sie wie stets mit just der rechten Mischung aus Würde und verhaltenem Bedauern reagiert. Sie hatte ihm eine Abfuhr erteilt – kurz und bündig und keineswegs ungeschickt.
    Es war passiert, als ihr Taxi vom Biltmore abgefahren war – noch nicht mal einen halben Block weit waren sie gekommen. Er hatte ungelenk den rechten Arm gehoben – sie saß zu seiner Rechten – und den Versuch gemacht, ihr denselben um ihren scharlachroten, pelzbesetzten Abendmantel zu legen und sie einfach an sich zu ziehen. Allein das war bereits ein Fehler gewesen. Wenn ein junger Mann eine junge Dame in den Arm nehmen möchte, ohne sich zuvor ihres Einverständnisses versichert zu haben, dann ist es jedenfalls entschieden eleganter, zunächst den anderen, ihr abgewandten Arm um sie zu legen, denn auf diese Weise kann er es vermeiden, den ihr näheren Arm so ungelenk anheben zu müssen.
    Sein zweiter Fauxpas war ihm unbewusst unterlaufen. Sie hatte den Nachmittag beim Friseur verbracht; nichts schreckte sie so sehr wie der Gedanke, ihre Frisur könnte irgendwie Schaden nehmen, doch Peter hatte sie bei diesem unglückseligen Annäherungsversuch mit seinem angewinkelten Ellenbogen gestreift. Das war sein zweiter Fauxpas. Und zwei waren wahrlich mehr als genug.
    Und dann hatte er auch noch angefangen zu murren. Und als das losging, war sie mit sich übereingekommen, dass er einfach bloß ein stinknormaler kleiner Collegeknabe war – Edith war zweiundzwanzig, und dieser Ball, der erste seiner Art seit Kriegsende, erinnerte sie ohnehin im immer schneller werdenden Takt der Assoziationen an etwas völlig anderes – einen völlig anderen Ball und einen völlig anderen Mann, einen Mann, der für sie ein bisschen mehr gewesen war als bloß der Schwarm eines Backfischs mit traurigen Augen. Edith Bradin war gerade im Begriff, sich in ihre Erinnerungen an Gordon Sterrett zu verlieben.
    So trat sie aus der Garderobe des Delmonico, blieb einen Augenblick in der Tür stehen und schaute über die in Schwarz gehüllte Schulter vor sich zur Schar der Yale-Männer hinüber, die wie gravitätische schwarze Falter auf dem Treppenabsatz herumschwirrten. Aus dem Raum, den sie soeben verlassen hatte, quoll eine schwere Wolke von Gerüchen, die die vielen parfümierten jungen Schönheiten beim Ein-und-aus-Gehen hinter sich zurückließen – eine Wolke aus üppigen Parfums und dem feinen, erinnerungsträchtigen Staub wohlriechender Puderquasten. Dieser herausströmende Duft vermischte sich mit dem scharfen Aroma des Zigarettenrauchs im Foyer, wallte dann mit sinnlicher Trägheit die Treppe hinab und sickerte in den Ballsaal, in dem der Tanzabend der Gamma-Psi-Verbindung stattfinden sollte. Wie gut sie ihn doch kannte, diesen Duft – aufregend, stimulierend, beunruhigend süß – der klassische

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