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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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nicht.«
    Sie trat auf ihn zu und griff nach seinem Arm.
    »Verzeihen Sie mir bitte«, sagte sie sanft. »Ich weiß selber nicht, warum ich Sie so angefahren habe. Komisch, aus irgendeinem Grunde bin ich heute Abend richtig schlecht gelaunt. Entschuldigen Sie.«
    »Schon gut«, murmelte er, »keine Ursache.«
    Ihm war nicht wohl in seiner Haut. Wollte sie ihm etwa noch einmal unter die Nase reiben, dass er vorhin Mist gebaut hatte?
    »Es war ein Fehler«, fuhr sie auf diese gespielt sanfte Tour fort. »Wir wollen es einfach vergessen.« Dafür hasste er sie.
    Ein paar Minuten später schwebten sie übers Parkett, indes die zwölf singenden, swingenden Mitglieder der eigens engagierten Big Band der Menge im Ballsaal die wichtige Mitteilung machten: »Bist du allein und hast ein Saxophon, so hast du einen Freu-heund schon!«
    Ein Mann mit einem Oberlippenbart klatschte sie ab. »Hallo«, begann er vorwurfsvoll. »Aha, Sie erinnern sich nicht mehr an mich.«
    »Ich komm grad nicht auf Ihren Namen«, sagte sie leichthin, »und dabei kenn ich Sie doch ganz genau.«
    »Wir sind uns oben in –« Doch da kam ein Blonder und klatschte sie ab, wobei er die Stimme des Mannes mit dem Menjoubärtchen hoffnungslos übertönte. Edith murmelte artig: »Vielen Dank – versuchen Sie’s doch bitte später noch mal.« Doch der sehr blonde Unbekannte bestand darauf, ihr enthusiastisch die Hand zu schütteln. Sie sortierte ihn bei den zahlreichen Jims unter ihren Bekannten ein – Nachname schleierhaft. Sie wusste sogar noch, dass er beim Tanzen einen ganz bestimmten Schritt hatte, was sie, als sie sich in Bewegung setzten, auch sogleich bestätigt fand.
    »Bleiben Sie lange hier?«, flüsterte er ihr vertraulich ins Ohr. Sie lehnte sich zurück und blickte zu ihm hoch.
    »Paar Wochen.«
    »Und wo logieren Sie?«
    »Im Biltmore. Sie können mich ja mal anrufen, irgendwann.«
    »Na und ob!«, versicherte er ihr. »Und ob! Wir können ja mal zusammen Tee trinken.«
    »Ja, sicher – melden Sie sich halt.«
    Nun klatschte ein dunkelhaariger, betont förmlicher Mann sie ab.
    »Nicht wahr, Sie erinnern sich nicht mehr an mich?«, fragte er ernst.
    »Ich glaube doch. Sie heißen Harlan.«
    »Nicht doch. Barlow.«
    »Ach so, ich wusste doch, ein zweisilbiger Name. Sind Sie nicht der, der auf der Party bei Howard Marshall so schön Ukulele gespielt hat?«
    »Ich hab zwar gespielt – aber nicht –«
    Sie wurde von einem Mann mit vorstehenden Zähnen abgeklatscht. Edith roch seine leichte Whiskeyfahne. Sie mochte es, wenn Männer etwas getrunken hatten; sie waren dann viel fröhlicher, verständnisvoller und höflicher – es ließ sich auch viel besser mit ihnen reden.
    »Dean, mein Name – Philip Dean«, sagte er aufgeräumt. »Ich weiß schon, Sie erinnern sich nicht an mich, aber Sie sind immer nach New Haven gekommen, zusammen mit einem Kommilitonen, mit dem ich im Abschlussjahr die Wohnung geteilt habe, Gordon Sterrett.«
    Edith blickte rasch auf.
    »Ja, zweimal war ich mit ihm dort – beim Pump-and-Slipper-Ball und beim Abschlussfest des vorletzten Semesters.«
    »Sie werden ihn ja sicher schon entdeckt haben«, sagte Dean obenhin. »Er ist nämlich auch hier heute Abend. Gerade eben hab ich ihn gesehen.«
    Edith zuckte zusammen. Dabei hatte sie doch schon so eine Ahnung gehabt, dass er hier sein würde.
    »Ähm, nein, ich hab –«
    Ein dicker Mann mit roten Haaren klatschte sie ab.
    »Hallo, Edith«, fing er an.
    »Ach – hallo –«
    Sie rutschte aus und geriet leicht ins Stolpern.
    »Entschuldigung, mein Lieber«, murmelte sie mechanisch.
    Sie hatte Gordon gesehen – Gordon, der sehr blass und teilnahmslos rauchend im Türrahmen lehnte und in den Ballsaal schaute. Edith sah, wie ausgemergelt und bleich sein Gesicht war – und wie seine Hand zitterte, wenn er die Zigarette an die Lippen führte. Sie und ihr Partner tanzten jetzt ganz nah an ihm vorbei.
    »– Die laden heutzutage so viele Burschen von außerhalb ein, dass man –«, sagte der Moppel mit den roten Haaren.
    »Hallo, Gordon«, rief Edith ihm über die Schulter ihres Tanzpartners hinweg zu. Ihr Herz hämmerte wie wild.
    Seine großen dunklen Augen fixierten sie. Er trat einen Schritt auf sie zu. Ihr Tanzpartner führte sie weg – sie hörte ihn blöken: »– aber die Hälfte von den Jungs kriegt keine Dame ab und verschwindet beizeiten wieder, also –«
    Dann hörte sie neben sich eine leise Stimme.
    »Darf ich bitten?«
    Und plötzlich tanzte sie mit

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