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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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knapp und auf eine unpersönliche Art traurig. Es war deprimierend.
    »Bist du verlobt?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Bist du in jemanden verliebt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Oh.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein weiteres Thema schien erschöpft – das Gespräch nahm nicht den von ihm beabsichtigten Verlauf.
    »Jonquil«, begann er, diesmal in sanfterem Ton, »nach allem, was zwischen uns gewesen ist, wollte ich zurückkommen und dich noch einmal sehen. Egal, was die Zukunft bringt – ich werde nie ein anderes Mädchen so lieben, wie ich dich geliebt habe.«
    Das war eine der Reden, die er einstudiert hatte. Auf dem Schiff hatte er gefunden, sie treffe genau den richtigen Ton – ein Anklang an die Zärtlichkeit, die er stets für sie empfinden würde, gepaart mit einer gewissen Unverbindlichkeit, was seinen momentanen Seelenzustand betraf. Hier jedoch, wo ihn die Vergangenheit von allen Seiten umgab und von Minute zu Minute schwerer auf ihm lastete, wirkte sie theatralisch und schal.
    Sie sagte nichts dazu, saß reglos da und fixierte ihn mit einem Ausdruck, der alles und nichts bedeuten mochte.
    »Du liebst mich nicht mehr, oder?«, fragte er mit matter Stimme.
    »Nein.«
    Als Mrs. Cary eine Minute später hereinkam und ihn auf seinen Erfolg ansprach – das Lokalblatt hatte eine halbe Spalte über ihn gebracht –, waren seine Gefühle gemischt. Er wusste nun, dass er dieses Mädchen noch immer begehrte, und er wusste, dass die Vergangenheit manchmal zurückkommt – das war alles. Im Übrigen musste er stark und wachsam sein; das Weitere würde man sehen.
    »Und nun«, sagte Mrs. Cary gerade, »tut mir bitte den Gefallen und geht zu der Dame mit den Chrysanthemen. Sie hat mir ausdrücklich gesagt, dass sie Sie sehen möchte, weil sie in der Zeitung von Ihnen gelesen hat.«
    Sie machten sich auf den Weg zu der Dame mit den Chrysanthemen. Als sie die Straße entlanggingen, nahm er mit einer gewissen Erregung wahr, dass ihre kleineren Schritte wie früher stets genau zwischen die seinen fielen. Die Dame erwies sich als sehr sympathisch, und die Chrysanthemen waren riesengroß und außergewöhnlich schön. Die Gärten der Dame quollen über von ihnen, weiß, rosarot und gelb, und dazwischen umherzuwandeln war, wie ins Herz des Sommers zurückzureisen. Es gab zwei Gärten und dazwischen ein Tor; als sie zum zweiten Garten schlenderten, ging die Dame als Erste durch das Tor.
    Und dann geschah etwas Sonderbares. George machte einen Schritt zur Seite, um Jonquil vorzulassen, doch anstatt weiterzugehen, blieb sie stehen und sah ihn an. Es war nicht so sehr ihr Blick, in dem kein Lächeln lag, sondern vielmehr der Moment des Schweigens. Jeder sah die Augen des anderen, und beide taten einen kurzen, etwas schnelleren Atemzug; dann betraten sie den zweiten Garten. Das war alles.
    Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Sie dankten der Dame und gingen langsam, gedankenverloren, Seite an Seite nach Hause. Auch während des Abendessens sprachen sie kaum. George erzählte Mr. Cary ein wenig von seinen Erlebnissen in Südamerika und ließ anklingen, dass in Zukunft alles ein Kinderspiel für ihn sein würde.
    Dann war das Abendessen vorüber, und er und Jonquil blieben allein in dem Zimmer, das den Anfang und das Ende ihrer Liebesaffäre bezeugt hatte. Es schien ihm lange her und unaussprechlich traurig. Auf dem Sofa hatte er Kummer und Qualen gelitten, wie er sie nie wieder leiden würde. Nie wieder würde er so schwach oder müde, so unglücklich und arm sein. Und doch wusste er, dass der Junge, der er fünfzehn Monate zuvor gewesen war, etwas besessen hatte – ein Vertrauen, eine Wärme –, das jetzt für immer verschwunden war. Das Vernünftigste – sie hatten das Vernünftigste getan. Er hatte seine Jugend gegen Stärke eingetauscht und aus Verzweiflung Erfolg geschnitzt. Doch mit seiner Jugend hatte das Leben ihm auch die Frische seiner Liebe genommen.
    »Du wirst mich nicht heiraten, nicht wahr?«, fragte er still.
    Jonquil schüttelte ihren dunklen Kopf.
    »Ich werde nie heiraten«, antwortete sie.
    Er nickte.
    »Ich reise morgen früh weiter nach Washington«, sagte er.
    »Oh…«
    »Es geht nicht anders. Ich muss am Ersten in New York sein, und vorher möchte ich in Washington Zwischenstation machen.«
    »Geschäfte!«
    »Nei-ein«, sagte er, als spreche er nicht gerne darüber. »Es gibt dort jemanden, den ich sehen muss, jemanden, der mir sehr geholfen hat, als ich so – am Boden war.«
    Das

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