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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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küsst. Das ist das Einzige, was mich zur Ruhe bringt. Außerdem bin ich nicht nervös – du bist nervös. Ich bin überhaupt nicht nervös.«
    Zum Beweis, dass er nicht nervös war, erhob er sich von der Couch und ließ sich gegenüber in einen Schaukelstuhl plumpsen.
    »Gerade wenn ich bereit bin, dich zu heiraten, schreibst du mir die nervösesten Briefe, als wolltest du einen Rückzieher machen, und ich muss hierhergeeilt kommen…«
    »Du musst ja nicht kommen, wenn du nicht willst.«
    »Aber ich will ja!«, rief George.
    Ihm schien, dass er sich ausgesprochen kühl und schlüssig benahm, während sie ihn absichtlich ins Unrecht setzte. Mit jedem Wort entfernten sie sich weiter voneinander – und er war außerstande, sich zu zügeln oder Sorge und Schmerz aus seiner Stimme zu verbannen.
    Doch einen Augenblick später begann Jonquil unglücklich zu weinen, und er ging zum Sofa zurück und legte den Arm um sie. Jetzt war er der Tröster, der ihren Kopf an seine Schulter drückte und altvertraute Dinge flüsterte, bis sie ruhiger wurde und in seinem Arm nur noch dann und wann ein wenig schauderte. Über eine Stunde saßen sie so da, während die abendlichen Klaviere ihre letzten Kadenzen auf die Straße hinaushämmerten. George, von der Vorahnung einer Katastrophe beinahe betäubt, rührte sich nicht, dachte nichts und hoffte nichts. Die Uhr würde weiterticken, elf vorbei, dann zwölf, bis Mrs. Cary leise über das Geländer herabrufen würde – und jenseits davon sah er nur den kommenden Tag und die Verzweiflung.
    III
     
    In der Hitze des folgenden Tages kam es zum Bruch. Sie hatten beide geahnt, was mit dem anderen los war, doch sie war diejenige, die sich traute, die Dinge beim Namen zu nennen.
    »Es hat keinen Sinn mehr«, sagte sie traurig. »Du weißt, dass dir das Versicherungswesen ein Graus ist, und du wirst dort nie erfolgreich sein.«
    »Das stimmt nicht«, entgegnete er dickköpfig; »es ist mir nur ein Graus, allein weiterzumachen. Wenn du mich heiratest und mich begleitest und es mit mir versuchst, kann ich überall erfolgreich sein. Aber nicht, solange du hier unten bist und ich mir ständig Sorgen um dich machen muss.«
    Sie schwieg lange, bevor sie antwortete, nicht um nachzudenken – denn sie hatte das Ende kommen sehen –, sondern abwartend, weil sie wusste, dass jedes weitere Wort nur grausamer sein würde als das vorangegangene. Schließlich sagte sie: »George, ich liebe dich von ganzem Herzen, und ich kann mir nicht vorstellen, jemals einen anderen zu lieben als dich. Wenn du vor zwei Monaten so weit gewesen wärst, hätte ich dich geheiratet – jetzt kann ich es nicht. Es scheint mir einfach nicht das Vernünftigste zu sein.«
    Er brachte wilde Anschuldigungen vor – es gebe einen anderen – sie verheimliche ihm etwas!
    »Nein, es gibt keinen anderen.«
    Das war die Wahrheit. Doch zum Ausgleich für die Spannungen in ihrer beider Verhältnis hatte sie die Gesellschaft junger Männer wie Jerry Holt gesucht, die den Vorzug besaßen, ihr nicht das Geringste zu bedeuten.
    George wurde mit der Situation gar nicht gut fertig. Er riss Jonquil an sich und versuchte, sie durch Küsse dazu zu bewegen, ihn vom Fleck weg zu heiraten. Als dies misslang, verfiel er in einen langen Monolog des Selbstmitleids und war erst wieder still, als er sah, dass er sich in ihren Augen erniedrigte. Er drohte mit Aufbruch, obwohl er gar nicht aufbrechen wollte, und als sie ihm sagte, er solle jetzt besser gehen, weigerte er sich.
    Eine Zeitlang war sie zerknirscht, dann wieder nur freundlich.
    »Es ist besser, wenn du jetzt gehst«, rief sie schließlich so laut, dass Mrs. Cary besorgt die Treppe herunterkam.
    »Ist etwas passiert?«
    »Ich gehe, Mrs. Cary«, sagte George mit rauher Stimme. Jonquil hatte das Zimmer verlassen.
    »Nehmen Sie es nicht so schwer, George.« Mrs. Cary blinzelte ihn in hilfloser Anteilnahme an – mitfühlend und zugleich froh, dass die kleine Tragödie beinahe vorbei war. »Warum fahren Sie nicht für ein paar Tage zu Ihrer Mutter. Vielleicht ist es ja letztlich das Vernünftigste…«
    »Bitte reden Sie nicht weiter«, rief er. »Bitte sagen Sie jetzt nichts zu mir!«
    Jonquil kam wieder ins Zimmer; Kummer wie Nervosität waren unter Puder, Rouge und Hut versteckt.
    »Ich habe ein Taxi bestellt«, sagte sie sachlich. »Wir können noch ein wenig herumfahren, bis dein Zug geht.«
    Sie trat auf die vordere Veranda hinaus. George nahm Mantel und Hut und stand eine Minute lang

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