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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Revuetänzerin George wegen gebrochenem Heiratsversprechen verklagt. Nicht eine! Er vermeidet jeden Kontakt mit Alkohol, außer in Form von Haarwasser. Meine Güte, wir haben uns bis heute noch nicht einmal gestritten!«
    »Du hast einen schweren Fehler gemacht«, sagte Tante Cal.
    Fifi nickte.
    »Ich fürchte, ich habe das Herz des nettesten Mannes gebrochen, dem ich je in meinem Leben begegnet bin, aber es hilft alles nichts. Makellos! Himmel, was nützt es schon, makellos zu sein, wenn man, ganz egal, wie sehr man sich anstrengt, nicht mal halb so makellos sein kann wie der eigene Ehemann? Und taktvoll! George würde es fertigbringen, Trotzki mit Rockefeller bekannt zu machen, ohne dass sich die beiden dabei in die Haare kriegen würden. Aber ab einem bestimmten Punkt bestimme ich den Takt in meiner Familie, und das hab ich ihm auch gesagt. Ich habe noch nie einen Mann praktisch an der Kirchentür stehenlassen, also werde ich hierbleiben, bis alle genügend Gelegenheit hatten, die ganze Sache zu vergessen.«
    Und sie blieb tatsächlich – was ihre Tanten nicht wenig überraschte, denn sie hatten erwartet, sie werde gleich am nächsten Morgen zerknirscht Hals über Kopf nach New York zurückstürmen. Sie erschien sehr ruhig, frisch und beherrscht zum Frühstück, als ob sie die ganze Nacht durchgeschlafen hätte, verbrachte dann den Tag nahe den sonnigen Dünen unter einem roten Sonnenschirm liegend und betrachtete den Atlantik, der von Osten heranrollte. Ihre Tanten fingen die Abendzeitung ab und verbrannten sie ungelesen im Kamin, der festen Meinung, Fifis Flucht müsste in roten Schlagzeilen die Titelseite zieren. Sie akzeptierten Fifis Anwesenheit als unabänderliche Tatsache, und außer dass Tante Jo beim Mah-Jongg zu empfindlichen Konzentrationsschwächen neigte, wenn sie über den zu perfekten Mann nachgrübelte, verlief ihr Leben eigentlich fast im üblichen Rahmen. Aber eben doch nur fast.
    »Was ist denn mit dieser Nichte von Ihnen los?«, erkundigte sich der Gärtner finster bei Tante Josephine. »Warum kommt ein so hübsches junges Mädchen hierher und vergräbt sich?«
    »Meine Nichte ruht sich aus«, erklärte Tante Josephine steif.
    »Die Dünen, die sind aber gar nicht gut für Leute, die Erholung brauchen«, wandte der Gärtner ein und massierte sich mit den Fingern den Schädel. »Die haben so was Monotones. Gestern, da hat sie ihren Sonnenschirm genommen und wollte eine damit kaputthauen, so ist sie ihr auf die Nerven gegangen. Eines Tages merkt sie, wie viele es überhaupt davon gibt, und dann dreht sie bestimmt durch.« Er schniefte. »Und dann haben wir was Schönes am Hals.«
    »Das genügt, Percy«, unterbrach ihn Tante Jo scharf. »Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Ich möchte, dass zehn Pfund Muschelscherben in den Gartenweg eingewalzt werden.«
    »Und was soll ich jetzt mit dem Sonnenschirm machen?«, verlangte Percy zu wissen. »Ich hab die Reste aufgehoben.«
    »Es ist nicht mein Sonnenschirm«, antwortete Tante Jo sarkastisch. »Von mir aus kannst du die Reste ebenfalls in den Gartenweg walzen.«
    Und so verstrich der Juni von Fifis annullierten Flitterwochen; Morgen für Morgen hinterließen ihre Gummischuhe nasse Abdrücke an irgendeinem verlassenen Strand im Nirgendwo. Eine Zeitlang schien die Abgeschiedenheit ihr gutzutun, und die frische Meeresluft blies ein gesundes Rot auf ihre Wangen, doch nach einer Woche stellten ihre Tanten fest, dass sie auffallend ruhelos und sogar noch deprimierter war als bei ihrer Ankunft.
    »Ich fürchte, du wirst langsam schwermütig hier, mein Liebes«, sagte Tante Cal an einem besonders rauhen, stürmischen Nachmittag. »Wir haben dich furchtbar gerne bei uns, aber wir machen uns Sorgen, weil du so traurig dreinschaust. Warum fragst du nicht deine Mutter, ob sie dich den Sommer über mit nach Europa nimmt?«
    »Europa ist viel zu geschniegelt«, wandte Fifi müde ein. »Mir gefällt es hier, wo alles primitiv, schroff und ungeschliffen ist, wie am Ende der Welt. Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gern noch länger bleiben.«
    Sie blieb länger und schien mit jedem Tag, der unter dem heiseren Geschrei der Möwen und dem tosenden Tumult der Brandung zerrann, melancholischer zu werden. Dann, eines Nachmittags, kehrte sie in der Abenddämmerung vom längsten ihrer langen Spaziergänge mit einem extrem abgerissen aussehenden Exemplar des männlichen Geschlechts zurück. Ein Blick auf ihn genügte, um ihre Tanten zu überzeugen, die Prophezeiung des

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