Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
vertrieben?«
    »Meistens bin ich spazieren gegangen – am Strand.«
    »Und auf einem dieser Spaziergänge haben Sie die… ähm… Person getroffen, von der mir Ihre Tante am Telefon erzählt hat?«
    Fifis Gesicht nahm eine leichte Rosafärbung an.
    »Ja.«
    »Was tat er denn, als Sie ihn das erste Mal sahen?«
    »Er saß auf einem Baum und hat mich angeschaut.«
    Das löste einen gemeinsamen Kommentar ihrer Tanten aus, in dem das Wort Affe vorkam.
    »Fanden Sie ihn sofort attraktiv?«, wollte Doktor Gallup wissen.
    »Nein, nicht besonders. Zuerst habe ich nur gelacht.«
    »Ich verstehe. Nun, soviel ich weiß, war dieser Mann sehr… ähm… sehr originell gekleidet?«
    »Ja«, bestätigte Fifi.
    »Er war unrasiert?«
    »Ja.«
    »Ah!« Doktor Gallup schien von einer Art Krampf geschüttelt zu werden, wie ein Medium, das aus seiner Trance erwacht. »Miss Fifi«, schrie er triumphierend, »haben Sie je Der Scheich gelesen?«
    »Noch nie gehört.«
    »Haben Sie sonst irgendein Buch gelesen, in dem ein Mädchen von einem romantischen, wild verwegenen Naturmenschen verführt wird?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Was war denn Ihr Lieblingsbuch, als Sie klein waren?«
    »Der kleine Lord.«
    Doktor Gallup war merklich enttäuscht. Er beschloss, den Fall unter einer neuen Perspektive anzugehen.
    »Miss Fifi, geben Sie zu, dass hinter dem Ganzen nicht mehr steckt als irgendeine Phantasterei in Ihrem Kopf?«
    »Im Gegenteil«, antwortete Fifi zur allgemeinen Verblüffung, »es steckt eine ganze Menge mehr dahinter, als ihr alle ahnt. Er hat meine gesamte Einstellung zum Leben verändert.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie schien nahe daran, eine Erklärung abzugeben, doch nach einer kurzen Denkpause verengten sich ihre schönen Augen störrisch, und sie blieb still.
    »Miss Fifi«, Doktor Gallup hob seine Stimme scharf an, »die Tochter von C. T. J. Calhoun, dem Kekskönig, ist mit einem Taxifahrer durchgebrannt. Wissen Sie, was sie jetzt macht?«
    »Nein.«
    »Sie arbeitet in einer Wäscherei auf der East Side und versucht, ihr Kind gerade so durchzubringen.«
    Er sah sie prüfend an; in ihrem Gesicht waren Anzeichen von Erregung zu erkennen.
    »Estelle Holliday ging 1920 mit dem Assistenten ihres Vaters durch!«, schrie er. »Soll ich Ihnen sagen, was ich als Letztes von ihr gehört habe? Sie hat sich in ein Armenhospital geschleppt, am ganzen Körper grün und blau geschlagen, weil ihr betrunkener Mann sie um ein Haar totgeprügelt hätte!«
    Fifi atmete heftig. Ihre Tanten beugten sich vor. Doktor Gallup sprang abrupt auf die Füße.
    »Aber verglichen mit Ihnen sind die beiden ja noch auf Nummer sicher gegangen!«, brüllte er. »Die haben wenigstens keinen Exsträfling angehimmelt, an dessen Händen Blut klebt.«
    Jetzt stand auch Fifi auf den Beinen, und ihre Augen sprühten Funken.
    »Sehen Sie sich vor!«, schrie sie. »Gehen Sie nicht zu weit!«
    »Das kann ich gar nicht!« Er griff in seine Tasche, zog eine zusammengefaltete Abendzeitung heraus und knallte sie auf den Tisch.
    »Lesen Sie das, Miss Fifi!«, donnerte er. »Hier steht, wie vor drei Wochen vier Totschläger in eine Bank in West Crampton eindrangen. Hier steht, wie sie den Kassierer kaltblütig niedergeschossen haben und wie einer von ihnen, der Brutalste, der Skrupelloseste, der Unmenschlichste, fliehen konnte. Und hier steht auch, dass sich dieser menschliche Gorilla vermutlich in der Gegend um Montauk Point versteckt hält!«
    Ein kurzer erstickter Laut – und Tante Jo und Tante Cal, die ihr Leben lang alles in vollkommener Harmonie getan hatten, fielen synchron in Ohnmacht. Im selben Augenblick klopfte jemand laut und heftig, wie mit einem schweren Knüppel, an die verriegelte Vordertür.
    IV
     
    »Wer da?«, rief Doktor Gallup und fuhr herum. »Antworten Sie – oder ich schieße!«
    Seine Augen suchten den Raum eilig nach einer möglichen Waffe ab.
    »Wer sind Sie?«, dröhnte eine Stimme von der Veranda her. »Öffnen Sie lieber, oder ich puste ein Loch durch die Tür.«
    »Was sollen wir tun?« Doktor Gallup schwitzte ausgiebig.
    Fifi, die damit beschäftigt gewesen war, ihre Tanten in gerechter Verteilung mit Wasser zu besprenkeln, drehte sich verächtlich lächelnd zu ihm um.
    »Das ist nur Percy, der Gärtner. Er hält Sie wahrscheinlich für einen Einbrecher.«
    Sie ging zur Tür und schob den Riegel zurück. Percy, in der Hand ein Gewehr, äugte vorsichtig ins Zimmer.
    »Alles in Ordnung, Percy. Das ist nur so ein verrückter Spezialist

Weitere Kostenlose Bücher