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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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»Miss Marsden«, stieß er mit schockierter, tief verletzter Stimme hervor, »ich kündige!«
    »Aber Percy!«
    »Es geht nicht anders. Ich habe über fünfundvierzig Jahre meines Lebens hier am Point verbracht, aber so was wie eben ist mir noch nicht unter die Augen gekommen.«
    »Was ist denn passiert?«, riefen die zwei Damen und sprangen von wilder Panik gepackt auf.
    »Gehen Sie ans Fenster und sehn Sie’s sich selber an. Miss Fifi steht da unten am Strand und küsst am helllichten Tage einen Gammler!«
    III
     
    Fünf Minuten später stapften zwei unverheiratete Damen durch den Sand auf ein Paar zu, das dicht beieinander am Ufer stand, deutlich abgehoben vom hellen Nachmittagshimmel. Als sie näher kamen, unterbrachen Fifi und Mr. Hopkins ihre intensive gegenseitige Betrachtung und lösten sich zögernd voneinander. Tante Cal begann schon aus dreißig Meter Entfernung zu sprechen.
    »Geh ins Haus, Fifi!«, rief sie.
    Fifi sah Mr. Hopkins an, der beruhigend ihre Hand berührte und ihr zunickte. Wie unter dem Einfluss eines Zaubers wandte sich Fifi von ihm ab, um mit gesenktem Kopf, aber vollendeter Grazie aufs Haus zuzugehen.
    »Nun, guter Mann«, Tante Cal kreuzte die Arme, »was haben Sie eigentlich für Absichten?«
    Mr. Hopkins erwiderte ihren durchdringenden Blick herausfordernd. Dann gab er ein tiefes, heiseres Lachen von sich.
    »Was geht Sie das an?«, wollte er wissen.
    »Sehr viel. Miss Marsden ist unsere Nichte, und Ihre Aufmerksamkeiten sind unerwünscht – um nicht zu sagen widerwärtig.«
    Mr. Hopkins drehte sich halb weg.
    »Ouh, quatschen Sie sich ruhig aus!«, riet er ihr.
    Tante Cal versuchte, die Sache von einer anderen Seite anzupacken.
    »Und was, wenn ich Ihnen sagen würde, dass Miss Marsden geistig zerrüttet ist?«
    »Was ist denn das?«
    »Sie… sie ist ein bisschen verrückt.«
    Er lächelte geringschätzig.
    »Und wieso ist sie verrückt? Weil sie mich mag?«
    »Das beweist es höchstens«, antwortete Tante Cal mutig. »Sie hat eine unglückliche Liebesgeschichte hinter sich, und davon ist ihr Verstand angegriffen. Schauen Sie!« Sie öffnete das Täschchen, das an ihrer Hüfte baumelte. »Wenn ich Ihnen fünfzig… hundert Dollar gebe, hier, jetzt und in bar, versprechen Sie dann, dass Sie mindestens zehn Meilen strandaufwärts ziehen?«
    »Ah-h-h-h!«, zischte er so gehässig, dass sich die beiden Damen schwankend aneinander festhielten.
    »Zweihundert!«, rief Tante Cal mit stockender Stimme.
    Er wedelte mit dem Finger in ihre Richtung.
    »Sie können mich nicht kaufen!«, knurrte er. »Ich bin so viel wert wie jeder andere auch. Jeden Tag heiratet irgendein Chauffeur oder so was Ähnliches eine Millionärstochter. Das hier ist Amerika, ein freies Land, kapiert?«
    »Sie wollen sie also nicht aufgeben?« Tante Cal schluckte schwer bei ihren eigenen Worten. »Sie hören also nicht auf, sie zu belästigen, und Sie gehen nicht?«
    Plötzlich bückte er sich und schaufelte zwei dicke Handvoll Sand auf, die er in einem hohen Bogen in die Luft warf, worauf der Sand auf die entsetzten Damen herunterrieselte und sie für kurze Zeit in einen dichten Nebel hüllte. Dann lachte er noch einmal sein heiseres, flegelhaftes Lachen, drehte sich um und verschwand im lockeren Laufschritt den Strand hinunter.
    Benommen wischten sich die beiden Frauen den verbliebenen Sand von den Schultern und stelzten zum Haus zurück.
    »Ich bin jünger als du«, sagte Tante Jo mit fester Stimme, als sie das Wohnzimmer erreicht hatten. »Ich will jetzt mal ausprobieren, was ich tun kann.«
    Sie ging zum Telefon und wählte eine New Yorker Nummer.
    »Die Praxis von Doktor Roswell Gallup? Ist Doktor Gallup zu sprechen?« Tante Cal nahm auf dem Sofa Platz und starrte tragisch zur Decke empor. »Doktor Gallup? Hier spricht Josephine Marsden, Montauk Point… Doktor Gallup, wir haben ein äußerst heikles Problem hier im Zusammenhang mit meiner Nichte. Sie hat sich da mit jemandem eingelassen, einer… einer… einer unsäglichen Type.« Sie keuchte bei dem Wort, sprach dann aber weiter, um mit wenigen Worten zu erläutern, was so unheimlich an der Situation war.
    »Und ich dachte, vielleicht kann eine Psychoanalyse klären, womit meine Schwester und ich nicht fertig werden.«
    Doktor Gallup zeigte sich interessiert. Es schien sich genau um seine Spezialität zu handeln.
    »In einer halben Stunde fährt ein Zug, mit dem Sie um neun Uhr hier sein könnten«, sagte Tante Jo. »Sie können bei uns zu Abend essen

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