Winterträume
seinem spöttischen Mund; »nein, ich geh nicht runter von der Yacht. Gehn Sie doch runter, wenn es Ihnen Spaß macht.«
Dann trat er an die Reling und gab ein kurzes Kommando, und im nächsten Augenblick kletterte die Crew des Ruderbootes die Leiter hoch und stellte sich in einer Reihe vor ihm auf, an einem Ende ein stämmiger, kohlschwarzer Nigger und am anderen ein Mulattenzwerg, der knapp eins fünfzig maß. Sie waren, gleichsam uniform, mit blauen Anzügen bekleidet, die Staub, Schlamm und diverse Risse zierten; jeder hatte über der Schulter einen kleinen weißen, sichtlich schwergewichtigen Beutel hängen, und unterm Arm trugen sie große schwarze Kästen, in denen sich allem Anschein nach ihre Musikinstrumente befanden.
»Aaach-tonk!«, kommandierte der junge Mann und schlug dabei selber zackig die Hacken zusammen. »Reeechs-omm! Augen graade-oss! Vortreten, Babe!«
Der kleinste Schwarze trat rasch einen Schritt nach vorn und salutierte.
»Jassaah!«
»Du übernimmst das Kommando, runtergehn, die Crew gefangennehmen und alle Männer fesseln, bis auf den Maschinisten. Den bringst du rauf zu mir. Ach ja, und eure Beutel, die könnt ihr da drüben an der Reling stapeln.«
»Jassaah!«
Babe salutierte abermals, machte kehrt und gab den fünf anderen ein Zeichen, sich um ihn zu scharen. Flüsternd berieten sie sich einen Augenblick und stiegen dann alle miteinander lautlos und im Gänsemarsch die Kajütstreppe hinunter.
»So«, sagte der junge Mann frohgemut zu Ardita, die der Szene starr und stumm beigewohnt hatte, »wenn Sie mir bei Ihrer Bubikopf-Ehre – die allerdings eh nicht viel wert sein dürfte – schwören, dass Sie Ihr verwöhntes kleines Mäulchen achtundvierzig Stunden lang ganz fest geschlossen halten, dann können Sie von mir aus jetzt in unserm Ruderboot ans Ufer rudern.«
»Und wenn nicht?«
»Wenn nicht, dann fahren Sie mit einem Schiff aufs offene Meer hinaus.«
Mit einem kleinen, einer gut gemeisterten Krise wohl angemessenen Seufzer ließ sich der junge Mann auf das Korbsofa fallen, von dem Ardita kürzlich aufgestanden war, und streckte faul die Arme aus. Er musterte die bunt gestreifte Markise, das blank geputzte Messing und die ganze luxuriöse Ausstattung an Deck, seine Züge entspannten sich, und um die Mundwinkel spielte etwas wie Anerkennung. Sein Blick fiel auf das Buch, dann auf die ausgelutschte Zitrone.
»Hm«, sagte er, »Stonewall Jackson hat behauptet, von Zitronensaft kriegt er einen klaren Kopf. Und Sie? Schön klar im Kopf, ja?«
Ardita würdigte ihn keiner Antwort.
»Weil, in den nächsten fünf Minuten müssen Sie eine klare Entscheidung treffen, ob Sie hier verschwinden oder bei uns bleiben wollen.«
Er hob das Buch vom Boden auf und schaute neugierig hinein.
» Aufruhr der Engel . Klingt ja richtig gut. Französisch, was?« Er starrte sie mit wiedererwachtem Interesse an. »Sind Sie Französin?«
»Nein.«
»Wie heißen Sie eigentlich?«
»Farnam.«
»Farnam – wie noch?«
»Ardita Farnam.«
»Na schön, Ardita, also, hier herumzustehn und sich die Backentaschen abzukauen hat keinen Sinn. Gewöhnen Sie sich diese nervösen Marotten lieber ab, solange Sie noch jung sind. Kommen Sie mal her hier, setzen Sie sich mal da hin.«
Ardita holte ein geschnitztes Jadekästchen aus der Tasche, entnahm ihm eine Zigarette und zündete sie mit bewusst gelassener Pose an, obwohl sie durchaus merkte, dass ihr ein bisschen die Hände zitterten; dann ging sie mit geschmeidig-federndem Schritt zu dem anderen Sofa hinüber, nahm darauf Platz und blies eine Rauchwolke zur Markise hinauf.
»Sie werden mich nicht von der Yacht vertreiben«, sagte sie entschlossen. »Und wenn Sie wirklich glauben, Sie kommen damit durch, dann kann’s ja mit Ihrem Verstand nicht allzu weit her sein. Mein Onkel wird nämlich spätestens um halb sieben kreuz und quer über den Ozean Funksprüche losgelassen haben.«
»Hm.«
Ein rascher Blick in sein Gesicht genügte ihr, um seine Furcht zu sehen, die sich in einem minimalen Abwärtsgleiten seiner Mundwinkel bemerkbar machte.
»Mir kann’s ja egal sein«, sagte sie achselzuckend. »Ist ja nicht meine Yacht. Von mir aus können wir hier ruhig eine kleine Kreuzfahrt machen. Ich pump Ihnen sogar mein Buch, damit Sie nachher auf dem Zollboot, das Sie nach Singsing bringt, was zu lesen haben.«
Er lachte höhnisch.
»Falls das ein guter Rat sein sollte – keine Bange. Das Ganze ist Teil eines Plans, den es schon gab, als ich noch nicht
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