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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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möchte, dass du endlich abschiebst«, sagte sie, nahe daran, von neuem die Geduld zu verlieren. »Du weißt doch, dass ich prinzipiell nie meine Meinung ändere. Seit drei Tagen langweilst du mich jetzt mit dieser Sache und machst mich ganz verrückt. Ich gehe nicht an Land! Niemals! Verstehst du? Nie und nimmer!«
    »Na gut«, sagte er, »aber nach Palm Beach gehst du auch nicht. So was Selbstsüchtiges, Verwöhntes, Unerzogenes und Unerträgliches wie du ist mir wirklich noch nicht –«
    Batsch! Die Zitronenhälfte erwischte ihn im Genick. Gleichzeitig kam von unten her ein Ruf.
    »Die Barkasse ist bereit, Mr. Farnam.«
    Zu voll der Worte und des Zorns, um noch etwas sagen zu können, warf Mr. Farnam seiner Nichte einen zutiefst verächtlichen Blick zu, machte auf dem Absatz kehrt und kletterte hastig die Leiter hinunter.
    II
     
    Die fünfte Stunde wälzte sich von der Sonne herab und plumpste ohne einen Laut ins Meer. Das goldene Halsband weitete sich aus und wurde zu einem glitzernden Eiland, und die sanfte Brise, die eben noch mit den Säumen der Markise gespielt und den einen baumelnden Pantoffel gewiegt hatte, trug mit einem Mal ein Lied heran. Gesungen wurde es von einem Männerchor, der perfekt mit dem Rhythmus der Ruder harmonierte, welche die blauen Wasser teilten und den Gesang begleiteten. Ardita hob den Kopf und horchte.
»Erbsen und Speck,
Bohnen sind weg,
Schweine an Deck,
    Kommt, Geselln – oh!
Tretet den Balg,
Tretet den Balg,
Tretet den Balg!
Wind macht schnell – oh.«
    Verwundert kräuselte Ardita ihre Brauen. Ganz still saß sie da und lauschte angestrengt dem Chor, der eine zweite Strophe sang.
»Zwiebeln und Bohn’,
Marschall samt Sohn,
Goldberg und Cohn
    Und Costello.
Tretet den Balg,
Tretet den Balg,
Tretet den Balg!
Wind macht schnell – oh.«
    Mit einem Ausruf des Erstaunens warf sie ihr Buch auf den Boden, wo es bäuchlings liegenblieb, und stürzte an die Reling. Fünfzehn Meter voraus näherte sich ein großes Ruderboot mit sieben Mann Besatzung, von denen sechse singend ruderten und einer aufrecht achtern stand und mit einem Dirigentenstab den Takt schlug.
»Austern à jour,
Sägemehl pur,
Wer baut ’ne Uhr
Um zum Cello? –«
    Und dann ruhten die Augen des Anführers plötzlich auf Ardita, die sich, wie gebannt vor Neugier, über die Reling beugte. Er machte eine schnelle Bewegung mit seinem Taktstock, und sogleich verstummte der Gesang. Ardita sah, dass er der einzige Weiße auf dem Boot war – die sechs Ruderer waren allesamt schwarz.
    »Ahoi Narcissus! «, rief er höflich.
    »Was soll denn dieser ganze Krach bedeuten?«, fragte Ardita fröhlich. »Ist das die Schulmannschaft der örtlichen Klapsmühle?«
    Unterdessen schrammte das Boot den Rumpf der Yacht, ein baumlanger, kräftig gebauter Neger, der vorn am Bug stand, drehte sich um und griff nach der Leiter. Der Anführer verließ seinen Posten hinten auf dem Heck, kletterte, noch ehe Ardita begriff, was er vorhatte, eilig die Leiter hoch und stand, vollkommen außer Atem, vor ihr an Deck.
    »Frauen und Kinder werden verschont!«, erklärte er forsch. »Sämtliche schreienden Babys werden unverzüglich ertränkt und alle Männer doppelt in Ketten gelegt!«
    Ardita vergrub die Hände vor Aufregung in den Taschen ihres Kleides und starrte ihn in sprachlosem Erstaunen an.
    Er war ein junger Mann mit dunklem Teint und einem feingeschnittenen Gesicht, hatte einen spöttischen Zug um den Mund und die leuchtend blauen Augen eines gesunden Säuglings. Sein Haar war pechschwarz, feucht und gelockt wie das einer sonnengebräunten griechischen Statue. Er war gut gebaut, gut gekleidet und anmutig wie ein behender Quarterback.
    »Heiliges Kanonenrohr!«, sagte sie ganz benommen.
    Sie fassten einander kühl ins Auge.
    »Übergeben Sie das Schiff?«
    »Soll das ein Heiterkeitsausbruch sein?«, fragte Ardita. »Sie sind doch wohl nicht ganz bei Troste – oder sind Sie kürzlich irgendeiner Bruderschaft beigetreten?«
    »Ich frage Sie, ob Sie das Schiff übergeben.«
    »Ich hab gedacht, in diesem Lande herrscht Prohibition«, sagte Ardita von oben herab. »Sie haben wohl Nagellack getrunken oder was? Sehn Sie bloß zu, dass Sie von dieser Yacht hier runterkommen!«
    »Wie bitte?« Im Ton des jungen Mannes drückte sich Verblüffung aus.
    »Haben Sie nicht gehört? Sie sollen runter von der Yacht!«
    Er sah sie einen Moment an, als ließe er sich ihre Worte durch den Kopf gehen.
    »Nein«, kam es dann bedächtig aus

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