Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
auf, bekam von allen Seiten Angebote und Engagements und viel mehr Geld, als er sich jemals hätte träumen lassen.
    Ungefähr um diese Zeit fing es an, dass eine grundlegende Veränderung mit ihm vor sich ging, eine ziemlich eigenartige Veränderung, die keineswegs eine Veränderung zum Besseren war. Damals sei ihm klargeworden, dass er seine besten Jahre damit verplemperte, mit ein paar schwarzen Tagedieben auf irgendwelchen Bühnen herumzualbern. Die Nummer selber war an sich ganz gut – drei Posaunen, drei Saxophone und dazu Carlyle mit seinem Kazoo –, wobei natürlich das Entscheidende sein ganz spezielles Gefühl für den Rhythmus war; nur wurde er sonderbarerweise immer empfindlicher, und mit der Zeit grauste es ihm regelrecht, wenn er bloß daran dachte, auf die Bühne zu müssen, und seine Angst vorm Auftreten wurde von Tag zu Tag größer.
    Geld machten sie wie Heu – mit jedem Vertrag, den er unterschrieb, erhöhten sich die Beträge –, doch wenn er zu den Managern ging und ihnen erklärte, er wolle sich von seinem Sextett trennen und als normaler Pianist weitermachen, lachten sie ihn aus und erklärten ihn für verrückt – das wäre »künstlerischer Selbstmord«. Er selber musste später lachen über dieses Wort vom »künstlerischen Selbstmord«. Alle waren sie ihm damit gekommen.
    Ein halbes Dutzend Mal spielten sie auf privaten Tanzpartys – für dreitausend Dollar am Abend, und irgendwie hatte er das Gefühl, als sei es ihm erst da so richtig klargeworden, wie satt er diese Art des Broterwerbs inzwischen hatte. Stattgefunden hatten diese Partys in Clubs und Häusern, zu denen ihm bei Tageslicht der Zutritt verwehrt worden wäre. Er spielte schließlich nur den Part des ewigen Affen, ein männliches Revuegirl sozusagen, nur eben etwas besser. Allein schon der Geruch, der im Theater herrschte, widerte ihn an, dieser Gestank nach Rouge und Puder, der Tratsch im Künstlerzimmer und der gönnerhafte Beifall aus den Logen. Es war ihm nicht mehr möglich, mit Leib und Seele bei der Sache zu sein. Der Gedanke, dass er sich langsam, aber sicher dem Luxus des Müßiggangs näherte, machte ihn rasend. Natürlich ging er auf diesen Zustand zu, aber eher so wie ein Kind, das Eis isst und zu langsam leckt, um den Geschmack richtig genießen zu können.
    Er habe sich danach gesehnt, einen Haufen Geld und Zeit zu haben, nach Lust und Laune lesen und spielen zu können und mit Männern und auch Frauen von der Sorte zu verkehren, die er niemals kriegen würde – der Sorte, die ihn wohl für unter ihrer Würde hielt, sofern sie überhaupt einen Gedanken an ihn verschwendete; kurzum, er wollte all das haben, was er mittlerweile begonnen hatte, unter dem Sammelbegriff Aristokratie zusammenzufassen, einer Aristokratie, die, wie es schien, mit jedem Geld zu kaufen war, nur nicht mit einem Geld, das auf die Art verdient wurde, auf die er seins verdiente. Da war er fünfundzwanzig, hatte weder Familie noch eine Ausbildung noch irgendeine Aussicht, als Geschäftsmann Karriere zu machen. Er fing an, wie wild draufloszuspekulieren, und hatte binnen drei Wochen seine gesamten Ersparnisse verloren, bis auf den letzten Cent.
    Dann kam der Krieg. Er ging nach Plattsburg, und selbst dort verfolgte sein Beruf ihn noch. Ein Brigadegeneral befahl ihn ins Stabsquartier und erklärte ihm, als Kapellmeister könne er seinem Lande besser dienen – und so verbrachte er den Krieg damit, hinter den Linien mit seinem Stabsmusikkorps für die Unterhaltung der hohen Tiere zu sorgen. Das war gar nicht mal so übel – er wäre halt hinterher nur lieber einer von den vielen Infanteristen gewesen, die hinkend aus den Schützengräben heimkehrten. Es kam ihm so vor, als wären der Schweiß und der Schlamm, den sie an sich hatten, nur eines jener nicht in Worte zu fassenden, für ihn auf ewig unerreichbaren Symbole der Aristokratie.
    »Den Ausschlag gaben schließlich die privaten Tanzpartys. Nachdem ich aus dem Krieg zurück war, ging die alte Leier wieder los. Wir hatten ein Angebot von einer Hotelkette in Florida. Alles andere war dann bloß noch eine Frage der Zeit.« Er verstummte; Ardita sah ihn erwartungsvoll an, doch er schüttelte nur den Kopf.
    »Nein«, sagte er, »das behalt ich lieber für mich. Darüber freue ich mich nämlich ganz unbändig, und ich hab Angst, wenn ich die Freude mit jemand anders teile, könnt mir vielleicht ein Stück davon verlorengehn. Ich will mich daran festhalten, an diesen paar atemlosen,

Weitere Kostenlose Bücher