Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
nicht mag, soll er sich Ohropax besorgen!«
»Warum sagst du ihm das nicht selbst?«, schaltete sich Ben ein und lächelte an mir vorbei. Ich drehte mich um. »Nell! Was willst du?«
»Sie wartet auf mich«, sagte Ben. »Was dagegen, Holly?«
Mann, kam ich mir blöd vor, vor allem weil Ben Nell am Arm mitzog und ich mit Matteo zurückblieb. »Also?«, fragte er und hob die Augenbrauen.
»Also was?«
»Was soll ich Opa Cosimo ausrichten?« Er lächelte. Ich sah die zwei Grübchen und wusste plötzlich nicht mehr, was ich ihm hatte sagen wollen. Noch nie hatte ich einen solchen Blackout erlebt! »Er hätte sich nicht gleich bei der Polizei beschweren müssen«, sagte ich leise. »War doch unnötig, oder?«
»Klar«, bestätigte Matteo. »Mein Opa regt sich eben schnell auf. Aber er beruhigt sich auch wieder. Im Grunde genommen meint er es nicht böse.«
Inzwischen standen wir allein im Flur, und weil das Zusammensein mit Matteo so ungewohnt war, nahm ich meine Jacke vom Haken und zog sie an.
»Die ist schick«, sagte er anerkennend und schlüpfte in seine schwarze. »Tolle Farbe.«
Ich nickte. Seite an Seite gingen wir den Flur entlang und die Treppe hinunter und manchmal streifte Matteos schwarzer Jackenärmel meinen neonblauen Jackenärmel. Wenn das geschah, blieb mir immer die Luft weg. Warum das so war, konnte ich mir nicht erklären, jedenfalls war es das erste Mal in meinem Leben, dass mir das passierte. Klar, dass ich mir über meine stockende Atmung Sorgen machte, aber bevor ich in Panik geraten konnte, waren wir im Hof. Dort wartete Irene auf Matteo. Ihr Anblick versetzte mir einen Schock, der bewirkte, dass meine Atmung wieder einwandfrei funktionierte. Als Irene mich neben Matteo sah, rümpfte sie die Nase, hängte sich an seinen Arm und schenkte ihm einen Marsriegel. »Marsriegel magst du doch so gern, Matteo.«
Mir blieb die Spucke weg. Ich meine, wie blöd kann man nur sein?! Auch Matteo fand Irenes Liebesgabe peinlich und wurde knallrot. Ich blinzelte ihn an. »Na dann! Lass ihn dir schmecken, Matteo«, spottete ich und ging weiter.
»He! Holly! So warte doch!«, rief er mir nach. Ich tat, als hätte ich ihn nicht gehört, denn ganz plötzlich war mir wieder eingefallen, dass Matteo ja mein FEIND war. Wie hatte ich das nur vergessen können? Mann, so was vergaß man doch nicht! Ich war richtig entsetzt über mich und tröstete mich schließlich mit dem Gedanken, dass ich höchstens fünf Minuten lang die Feindschaft vergessen hatte. Angesichts der Dauer von etwa einem halben Jahrhundert waren fünf Minuten hoffentlich zu verzeihen. Jedenfalls nahm ich mir ganz fest vor, niemals mehr so vergesslich zu sein. Never ever. Mit meinem FEIND unterhielt ich mich nicht, und wenn es mal nicht zu vermeiden war, dann sagte ich nur das Notwendigste.
Als ich auf die Leute aus meiner Klasse zuging, war ich noch ganz durcheinander. Warum hatte Matteo mich nicht wie sonst brutal niedergebrüllt? Und warum wollte er, dass ich auf ihn warte? Das war ungewöhnlich, war einfach nicht zu fassen. Pass bloß auf, Holly, sagte ich mir, einmal Feind – immer Feind. Vergiss das ja nicht, Holly!
Am Nachmittag fing es an zu regnen, der Regen ging in Schnee über, und am Abend lag der graubraune Matsch zentimeterhoch auf den Wegen und Straßen. Biene zündete eine Kerze am Adventskranz an und sagte, sie wolle Plätzchen backen. »Macht ihr mit?«, fragte sie hoffnungsvoll. Ich nickte, weil ich sie nicht schon wieder vergrätzen wollte, und Nell zog sofort eine Schürze an, auf der Kitchen Queen stand. Ich hasste Schürzen, krempelte nur die Ärmel hoch und legte eine Platte mit Weihnachtsliedern auf, die, wie auch der Plattenspieler, aus der Zeit meiner Großeltern stammte.
Es machte Spaß, die Herzen (kleine und große), Glocken, Sterne, Halbmonde, Engelchen und Nikoläuse aus dem Teig zu stechen und aufs Blech zu legen. Danach bekamen die Nikoläuse Rosinenaugen, die Glocken einen Saum aus Schokostreuseln, die Engelchen Flügel mit goldenen Zuckerperlen, die Herzen bunte Streusel, und die Sterne und Halbmonde verzierten wir mit ein bisschen von allem. Zwischendurch drehte ich die Platte um oder legte eine neue auf, wir summten und sangen die Lieder mit, und als Biene das erste Blech in den Ofen schob, kam Otto. »Gemütlich habt ihr’s hier«, meinte er. »Holly, was hat dir der Wichtel heute beschert?«
Mein Wichtelgeschenk! Wegen des Backens und Verzierens und Matteos ungewohntem Verhalten war die Wichtelfrage
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