Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
tuschte die Wimpern, trug Rouge auf und warf sich in einen schwarzen Anzug mit Fliege zum weißen Hemd.
Meistens begleitete ihn meine Mutter. Biene arbeitete als Dekorateurin im besten Kaufhaus unserer Stadt. Sie verstand was von Mode, konnte fantastisch schneidern und hatte sich für diese Anlässe ein fliederfarbenes Hängerkleidchen mit Fransen am Saum und Pailletten am Ausschnitt genäht. Als ich die beiden zum ersten Mal in ihrem Outfit sah, war es Oktober. Ich dachte sofort an Fasching.
Otto konnte ich mir als Wichtel gut vorstellen. Ich summte vor mich hin und nahm mir vor, ihn nach der Schule in seinem Kiosk zu besuchen; jetzt war er schon aus dem Haus gegangen, und auch ich rannte los – und rempelte fast in die dunkle Gestalt, die den Gehweg entlangschlurfte. Matteo! Ihn zu überholen, fand ich peinlich, hinter mir wusste ich Nell. Was sollte ich tun?
»Ich fress dich nicht, Holly«, hörte ich ihn sagen. »Kannst ruhig weiterrennen, wenn du’s so eilig hast. Musst wohl noch die Hausaufgaben abschreiben, was?«
»Geht dich nichts an!« Beim Überholvorgang schlenkerte ich Matteo meine Sporttasche in die Kniekehle – an diesem Vormittag hatten wir Sport.
»Autsch!«, brüllte er und tat so, als hätte ich ihm einen K.-o. -Schlag versetzt. An der Ampel musste ich warten und bekam mit, dass Nell Matteo eingeholt hatte. Beide unterhielten sich und lachten über etwas, das ich nicht hören konnte. Das machte mich so wütend, dass ich noch bei Rot über die Straße sauste. Nell und Matteo! Das hatte mir gerade noch gefehlt! Und überhaupt! Nell war eine falsche Schlange! Sie hielt sich nicht an die Abmachung: MIT EINEM PITTI SPRICHT MAN NICHT! JEDER PITTI IST EIN FEIND!
In der fünften und sechsten Stunde hatten wir Mädchen der 7a und 7b Sport. Kaum war der Unterricht überstanden, zog ich mich in rasender Eile um und rannte zum Bahnhof. Eigentlich war’s ja unnötig zu rennen, aber das normale Gehen war mir schon immer zu langweilig. Otto stand in seinem warmen Kiosk und aß Currywurst mit Pommes rot-weiß. »Möchtest du was abhaben?«, fragte er.
»Nee. Wenn schon, dann möchte ich eine für mich allein«, entgegnete ich und holte mir eine vom Stand gegenüber. »Der Herr im Kiosk bezahlt«, sagte ich und deutete mit dem Daumen auf Otto.
»Krach mit Nell?«, erkundigte er sich dann.
»Nö. Warum fragst du?«
»Weil nur du mich besuchst.«
»Ah. So. Nee, Otto, es geht nicht um Nell.«
»Sondern?«
Ich passte auf, dass nichts von der Sauce auf meine neue Steppjacke tropfte. »Sag mal … weißt du, was ein Wichtel ist?«
»So was Ähnliches wie ein Gnom. Ein Zwerg eben. Ein Wesen aus der Fantasywelt.«
»Falsch. Ich denke an einen echten Wichtel.«
»Ein echter Wichtel? So was gibt es nicht«, behauptete er.
»Doch. Weihnachtswichtel gibt es.«
»Du willst wichteln, Holly? Das finde ich aber nett von dir! Wen hast du dir denn ausgeguckt?«
Ich schluckte einen Bissen Currywurst runter. »Otto, die Tatsache ist die: Mir wird gewichtelt.«
»Wirklich? Schön für dich! Wer ist denn dein Wichtel?«
»Genau das ist die Frage. Bist du’s?«, platzte ich heraus.
Otto lachte. »Da muss ich dich enttäuschen! Es wird einer deiner Freunde sein, Holly!«
»Ich hab aber keinen Freund«, widersprach ich hitzig.
»Dann ist es ein Junge, der es gerne wäre.«
»Meinst du?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Es gibt da jemanden, den ich ziemlich nett finde.« Ich dachte zwar gleich an Matteo, aber dass der ja nun wirklich nicht infrage kam, war wohl klar. Doch Matteo hatte einen Freund, Ben, den ich auch ganz gut fand. »Er geht in die 8b«, setzte ich schnell hinzu. »Soll ich ihn fragen, ob er es ist?«
Otto wiegte den Kopf hin und her. »Ich würde es locker angehen lassen«, meinte er schließlich. »Wichteln ist eine Angelegenheit, die bis Weihnachten dauert. Wenn du den Jungen schon am 2. Dezember fragst, verdirbst du ihm den Spaß. Das wäre schade. Außerdem«, fuhr Otto fort, »bist du dir ja nicht sicher. Du vermutest nur, dass der Junge dein Wichtel ist. Also warte ab, beobachte ihn, und spätestens an Heiligabend wirst du wissen, wer dich so liebt, dass er dich 24 Tage lang beschenkt.« Er rückte einen Stapel Zeitungen gerade. »Mir wurde noch nie gewichtelt. Holly, du bist ein Glückspilz!«
»Otto, heute habe ich aber nichts von ihm bekommen.« Ich rückte zur Seite, weil jetzt zwei ältere Männer und eine Frau hinter mir standen.
»Vielleicht hast du noch nicht gründlich
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