Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
vier vor Schreck in Schlafanzug und Nachthemd und auf bloßen Füßen nach unten rannten und an nichts anderes dachten, als dass das Haus in Flammen stünde.
»Wo ist der Feuerlöscher?«, schrie Otto. »Wo hängt das verdammte Ding, Biene?«
»Ich hab keinen Feuerlöscher, Otto!«
»Dann sag mir, wo du die Nummer der Feuerwehr aufgeschrieben hast!«
»Die Nummer der Feuerwehr, Otto? Bei uns hat’s noch nie gebrannt!«
»Aber jetzt, Biene! Jetzt brennt’s!«
»Ich rieche nichts!«, sagte sie noch, dann riss sie die Tür auf. »Opa Pitti!«
Tatsächlich! In Pantoffeln, mit nackten Beinen, in einen dunklen Morgenmantel aus Plüsch gehüllt, ungekämmt und unrasiert, aber bebend vor Zorn, stand Opa Pitti an der Tür.
»Da! Da auf den Stufen! Da ist das blanke Eis!«, brüllte er. »Du hast Wasser draufgekippt!«
Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Du! Du warst es! Du hast es getan! Ich hab’s genau gesehen! Vom Küchenfenster aus hab ich’s gesehen! Zehn nach neun war es! Und jetzt … Ich bin ausgerutscht! Den Hals hätte ich mir brechen können! Tot könnte ich sein!«
Wir waren sprachlos. Ich, weil er mich blöderweise gesehen hatte, Biene und Nell, weil sie sich überrumpelt fühlten. Nur Otto war Herr der Lage.
»Gottlob ist dir nichts passiert, Cosimo. Du bist nicht gestürzt, dein Hals sitzt fest zwischen Kopf und Schultern, und tot bist du auch nicht. Beruhige dich. Es wird nicht wieder vorkommen, nicht wahr, Holly?«
Ich war so verdattert, dass ich einfach nickte.
»Entschuldige dich, Holly«, sagte Otto und stieß mich an. »Los, sag, dass es dir leidtut.«
»T-t-tut mir leid«, stotterte ich. An dem schulfreien Morgen weigerte sich mein Hirn, so früh schon zu funktionieren.
»Das sagt sie, weil sie es sagen muss!«, brüllte Opa Pitti. »Was ist morgen? Und übermorgen? Sie wird’s vergessen haben! Was passiert dann?«
»Es wird nicht wieder vorkommen«, versicherte Otto energisch. »Und jetzt streue ich Salz auf die Stufen, dann ist das Eis in null Komma nichts weg und wir alle können wieder ins Bett. Es ist erst kurz nach sechs, Cosimo. Ziemlich früh, uns an einem Samstag aus dem Schlaf zu klingeln, findest du nicht auch?«
»Geschieht euch recht«, brummelte er. »Ich schau aus dem Küchenfenster, ob du auch genügend Salz aufstreust, Otto.«
Inzwischen waren meine Füße eiszapfenkalt geworden, Nell nieste, und Biene scheuchte uns die Treppe hoch und ins Bett. Leider folgte sie uns. Sie trug ein süßes kurzes weißes spitzenbesetztes Nachthemdchen, das ich noch nie gesehen hatte und mir unbedingt mal ausleihen musste.
»Sag, Holly, hast du wirklich das Schmutzwasser auf Pittis Stufen gekippt?«, wollte sie wissen und kroch zu mir ins Bett.
Ich nickte. Meine Zähne klapperten.
»Du lieber Himmel! Was hast du dir nur dabei gedacht? Opa Pitti hätte sich ein Bein brechen können. Hättest du das gewollt?«
»Einmal Feinde – immer Feinde«, nuschelte ich.
»Feindschaft darf nicht so weit gehen, dass jemand zu Schaden kommt.« Bienes Stimme war so kalt wie ihre Füße. »Wie hättest du dich gefühlt, wenn er ins Krankenhaus eingeliefert worden wäre?«
»So weit hab ich nicht gedacht.« Klar, ich war ja nur traurig gewesen, dass Matteo als Wichtel niemals infrage kommen würde. Aber das kann man einer Mutter nicht sagen. Vor allem nicht, wenn eine Zwangsschwester im Nebenbett liegt und die Ohren aufsperrt.
»Versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tust, Holly.« Biene wuschelte mir durchs Haar. »So, und jetzt schlafen wir noch ’ne Runde. Mein Gott, es ist kurz nach sechs! Und das an einem Samstagmorgen!«
»Eben!«, sagte ich anklagend. »Opa Pitti hätte mit seiner Beschwerde gut bis neun oder zehn warten können, das Eis wäre noch nicht weggetaut gewesen. Aber er ist ja Rentner. Was kümmert’s ihn, dass du arbeitest und wir in die Schule müssen?« Ich zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch. »Opa Pitti denkt nur an sich.«
»Hm.« Biene knipste das Licht aus.
Während mir langsam warm wurde, ärgerte ich mich über Opa Cosimo. Warum konnte er nicht so lange schlafen wie normale Leute? Warum musste er schon um sechs die Zeitung aus dem Kasten holen? Und überhaupt – warum holte er die Zeitung aus dem Kasten? Warum nicht sein Enkel? Ha! Wenn Matteo ausgerutscht und mit einem gebrochenen Bein ins Krankenhaus gekommen wäre, hätte ich ihn besuchen können …
Ich malte mir aus, was ich zu diesem Anlass getragen hätte. Schneeweiße Jeans und einen
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