Wintertraum und Weihnachtskuss: Eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln (German Edition)
ganz aus meinem Kopf gerutscht. »Nichts hat er mir heute beschert!«
»Ausgeschlossen! Ein richtiger Wichtel lässt keinen Tag aus. Nicht wenn er es ernst meint.« Otto sah zu, wie Biene das erste Blech aus dem Ofen holte und das zweite reinschob. Sofort stibitzte er ein Herz, verbrannte sich Finger und Zunge, schrie »Autsch!« und griff nach einem Stern. »Ausgeschlossen«, wiederholte er kauend. »Du hast nicht richtig geschaut.«
»Aber weder im Mäppchen noch im Schulrucksack war ein Geschenk.«
»Na und?«, entgegnete Nell. »Es gibt mehr als nur zwei Verstecke, würde ich mal sagen.«
»Eben«, pflichtete Biene ihr bei. »Weißt du inzwischen, wer dir wichtelt? Oder vermutest du jemanden?«
Verdammt! Weil es in der Küche so warm war, waren die Schokostreusel weich und klebrig geworden, und natürlich hatte ich sie jetzt an meinem Pulli. »Warum interessiert ihr euch eigentlich so für meinen Wichtel? Immer predigt ihr mir, ich solle Geduld haben, und wenn ich mal geduldig bin, ist es euch auch nicht recht«, verteidigte ich mich.
»Eines musst du wissen«, sagte Biene und maß Kokosflocken ab, »es ist immer die unwahrscheinlichste Person. Die, an die du überhaupt nicht denkst.«
»Echt?«
»Ja. Wenn ich dir wichteln würde …«
»… oder ich«, warf Nell ein.
»… oder Nell«, wiederholte meine Mutter, »wärst du uns schon längst auf die Spur gekommen.«
»Aber der Wichtel kennt mich. Er weiß, dass ich Perlen liebe.«
»Genau deshalb würde ich dir niemals Perlen wichteln«, erklärte Biene.
Das machte Sinn. Ich aß ein Teigklümpchen und dachte an Matteo. Das wäre die unwahrscheinlichste Person, außerdem wussten die Leute aus meiner und aus seiner Klasse, dass ich meine T-Shirts und Pullis immer aufpeppte. Aber Matteo war es nicht. Konnte es nicht sein. Nie und nimmer. »Vielleicht ist es Ben?«
»Ben!«, schrie Nell auf. »Du hast sie ja nicht alle! Wie kommst du nur auf Ben?«
»Na, weil Biene meint, es sei immer die unwahrscheinlichste Person«, entgegnete ich verdutzt. »Warum schreist du eigentlich?«
Nell funkelte mich böse an. »Ben ist es NICHT!«
»Sag bloß!« Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Du weißt also, wer mir wichtelt?«
»Quatsch. Das hab ich nicht gesagt«, verteidigte sich Nell. »Aber eines weiß ich: Wenn Ben jemandem wichteln würde, dann mir!«
»Warum dir? Warum nicht mir?«
»Weil …« Nell wurde rot und verschüttete Puderzucker.
Otto lachte. »Nell, du bist ja verliebt!«
Klar! Nell und Ben! »Ich sag ihm, er soll dir wichteln«, flötete ich mit zuckersüßer Stimme.
»Wehe, du sprichst auch nur ein einziges Wort mit ihm!«, brüllte Nell und rannte aus der Küche. Ich kicherte. Nell und Ben … Na so was!
Biene schlug Eier auf. Das Gelbe kam in die eine, das Weiße in eine zweite Schüssel, die sie Otto zuschob. »Hier wirst du deine überschüssige Energie los«, sagte sie und drückte ihm einen Schneebesen in die Hand.
»Wieso nimmst du an, ich hätte überschüssige Energie? Das Gegenteil ist der Fall! Ich bin total erschöpft!«, jammerte er und rührte den Glibber in der Schüssel um.
»Nicht rühren!«, schrie Biene auf. »Du sollst schlagen!«
Otto seufzte und schlug, und dann kam Nell zurück und sah zu, wie sich der Glibber in einen großen weißen Schneeberg verwandelte. Biene summte Morgen Kinder, wird’s was geben , Otto sang mit, die Platte blieb immer bei morgen werden wir uns freun hängen, und ich war mir sicher: Ben schied aus. Matteo als Wichtel war so unwahrscheinlich, dass eher an Heiligabend 30 Grad Celsius herrschten, als dass er mir wichteln würde … und alle anderen Personen konnten mir gestohlen bleiben.
Ich wurde so traurig, dass ich nach dem Backen freiwillig den Küchenboden aufwischte. Wenn Matteo mein Wichtel wäre … Ich seufzte. Verdammt, warum mussten sich unsere Großeltern nur verfeinden? Warum waren sie so hirnrissig bekloppt gewesen, dass sie nicht vorausschauend an ihre Enkel gedacht hatten? Ich war so sauer auf sie, dass ich das Schmutzwasser mit voller Absicht auf die Stufen vor Pittis Haustür kippte.
Über das Wichtelpäckchen, das ich später in meiner Vesperbox entdeckte, freute ich mich nicht.
Na ja, ein bisschen schon. Ein ganz kleines bisschen, weil die zwei blauen Stabperlen wirklich schön waren.
4. Dezember
S amstag und Sonntag schliefen wir immer aus.
An diesem Samstagmorgen klingelte jemand an unserer Tür. Der Jemand hielt so lange den Finger auf dem Knopf, bis wir
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