Winterwelt (Sommer-Sonderpreis bis zum 06.08.2012!) (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
spürte, ließ sie von einem Moment auf den nächsten hellwach werden. Whisper hatte sie am Schuh gepackt und zog sie in Richtung Wasser. Arrow zappelte wild herum und er ließ sie los.
Zornig stieß der schwarze Hengst ihr einen der Äpfel vor die Füße. Mittlerweile sahen sie nicht mehr ganz so frisch aus. Arrow musste wohl ziemlich lange geschlafen haben.
Trotzig nahm sie den Apfel auf und warf ihn weit zwischen die Bäume. Grimmig schaute sie Whisper an, erhob sich und stapfte wütend in Richtung ihres Schlafplatzes. Doch bevor sie es sich wieder unter den Bäumen gemütlich machen konnte, kam der Rappe angelaufen und stieß sie zurück. Mit einem weiteren Schupser brachte er Arrow zu Fall und zerrte sie dieses Mal ohne zu zögern in den See.
Wie verrückt schlug Arrow um sich und schrie ihn dabei aus Leibeskräften an, doch Whisper ließ nicht locker.
„Lass mich!“, brüllte sie. „Ich will nicht essen! Lass mich sterben!“
Nachdem sie ordentlich untergetaucht worden war, kroch Arrow ans Ufer, doch gleich, als sie es geschafft hatte, zog der Rappe sie wieder zurück ins Wasser.
Wieder versuchte Arrow, an Land zu gehen und wieder verschaffte Whisper ihr eine nasse Abkühlung.
Erneut brach Arrow in Tränen aus und schluchzte, als sie aus dem Wasser kam. Der Rappe ließ sie in Ruhe, drohte ihr jedoch mit einem dunklen Grummeln, dass es für sie an der Zeit war, sich endlich wieder zu fangen.
Als die Tränen schließlich versiegt waren, starrte Arrow die ziehenden Wolken am strahlend blauen Himmel an. Ein Stoß gegen ihre Hand ließ sie an Ort und Stelle zurückkommen – der Apfel. Nach einem unendlichen Moment des Anstarrens biss sie davon ab. Als sie ihn nach der Hälfte wegwerfen wollte, drohte Whisper ihr wieder. Als sie den Apfel schließlich aufgegessen hatte, ließ der Rappe von ihr ab und setzte sich wieder auf den Platz, an dem er Arrow in den letzten Tagen Schutz geboten hatte. Seine Augen leuchteten triumphierend.
Als Arrow sich an einen Baum setzte, betrachtete sie abwesend die spiegelglatte Oberfläche des Sees. Tränen flossen an diesem Tag nicht mehr, doch Whisper gab sich zufrieden.
Seit Stunden prasselte der Regen nun schon auf Arrow hinab. Sie wusste gar nicht mehr, wie sie auf den großen Stein am Seeufer gekommen war. Eine halbe Ewigkeit musste sie dort nun schon in die Leere geschaut haben.
Whisper stupste sie sanft am Rücken. Unglücklich, wie sie war, schaute Arrow sich zu ihm um. Das war das erste Mal seit dem Holunderwald, dass sie auf ihn reagiert hatte, ohne dass er ihre Aufmerksamkeit mit Gewalt provozieren musste. Erfreut darüber schmuste er ausgelassen an ihrer Schulter.
Arrow schenkte ihm ein gezwungenes Lächeln. Mit ihren zerzausten Haaren, den blutunterlaufenen Augen und dem mutlosen Gesichtsausdruck hätte man denken können, sie wäre ein Poltergeist. Niemand, der sie nicht kannte, hätte in diesem Zustand noch die attraktive, freundliche, junge Frau in ihr gesehen, die sie immer war.
Whisper kniete vor ihr nieder. Es wurde Zeit, aufzubrechen. Arrow wusste das. Schon zu lange hatte sie an diesem Ort darauf gewartet, dass sich die Ereignisse in einen schlechten Traum verwandeln würden, doch das taten sie nicht. Der Schmerz hatte es ihr verraten – mit jedem ihrer Atemzüge.
Als Arrow auf den Perseiden klettern wollte, bemerkte sie, dass der kleine Lederbeutel, in dem das schwarze Küken immer geschlafen hatte, verschwunden war. Abscheu regte sich in ihr. Offenbar war alles, was ihr in die Hände fiel, zum Tode verdammt. Sie hasste sich selbst für diesen Fluch, der auf sie lastete. Doch bevor die Leere sich einmal mehr in ihr ausbreiten konnte, fielen ihr wieder die seltsamen Male an ihrem Unterarm auf. Noch immer warteten einst gegebene Versprechen darauf, erfüllt zu werden. Vielleicht hatte das Leben ja doch noch einen Sinn. Und selbst wenn nicht – sterben konnte sie auch später noch.
Schwach und freudlos stieg Arrow auf den Rappen. Sie schmiegte sich ganz fest an ihn, während er gemütlichen Ganges aufbrach.
Unerwartet stieg ein neues Gefühl in ihr auf – sie war froh, einen solchen Freund zu haben.
Tage später nahm der Regen noch immer kein Ende. Hier und da machten Arrow und Whisper Rast, schliefen eine Weile oder suchten nach Essbarem.
Das Wetter passte zu Arrows Stimmung, denn nachdem sie nicht mehr weinen konnte, tat das der Himmel an ihrer Stelle.
Vor zwei Tagen erst hatte sie den blauen Drachen am Himmel fliegen sehen. Ardor
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