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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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erhob.
    Anyara, Rothe und Ess’yr waren wach und saßen in der Nähe von Inurian. Über ihm hüpfte Idrin von Ast zu Ast. Noch ehe Orisian seine Abwesenheit richtig bemerkt hatte, kam Varryn mit langen Sprüngen aus dem Wald gelaufen. Er nickte seiner Schwester kaum merklich zu. Sie erhob sich geschmeidig und griff nach ihrem Bogen.
    »Wir müssen umkehren«, sagte Varryn zu den anderen. »Der Feind ist unten und vor uns. Wir sind zu langsam.«
    »Umkehren?«, keuchte Anyara ungläubig.
    Varryn beachtete sie nicht. »Wir steigen höher.«
    Rothe stöhnte. »Das ist Wahnsinn«, sagte er. »Wir schaffen keinen Anstieg mehr. Es muss doch irgendeinen Weg nach Glasbridge geben.« Zum ersten Mal in seinem Leben vernahm Orisian Verzagtheit in der Stimme seines Leibwächters. Er ahnte, was es den Mann gekostet haben musste, Inurian bis zum Saum des Walds zu tragen.
    Es entstand ein Augenblick angespannten Schweigens. Der Kyrinin- und der Huanin-Krieger starrten einander an, keiner bereit, den Blick abzuwenden. Idrin unterbrach die Stille, als sie plötzlich von ihrem Hochsitz aufflatterte und laut krächzend neben ihrem Herrn im Gras landete. Inurian bewegte sich und murmelte etwas Unverständliches. Ess’yr beugte sich als Erste über ihn, und Orisian schaute ihr besorgt über die Schulter, als sie nach der Schlagader am Hals des Na’kyrim tastete. Inurian schlug die steingrauen Augen auf. Er schaute fragend umher, als wüsste er nicht, wo er sich befand. Sein Blick wanderte von Ess’yr zu Orisian, und ein schwaches Lächeln erschien auf seinen farblosen Lippen.
    »Mir ist kalt«, flüsterte Inurian.
    »Wir haben keine Felldecken«, sagte Ess’yr und nahm die Hand von Inurians Halsschlagader.
    »Verziehen«, murmelte Inurian.
    Idrin hüpfte näher und zupfte ihn am Ärmel.
    »Du?«, fragte Inurian. »Lungerst du immer noch herum?« Er strich über das glänzende Rückengefieder der Krähe. »Flieg heim, meine Freundin! Kehr zurück zu deinen Schwestern, Idrin!«
    Der große schwarze Vogel hielt den Kopf schräg und sah den Na’kyrim fragend an. Dann stieß er sich unvermittelt vom Boden ab und verschwand mit kräftigen Flügelschlägen im weiten Grau des Himmels. Ess’yr flüsterte etwas in ihrer eigenen Sprache, und Inurian schüttelte kaum merklich den Kopf. Er schloss die Augen. Sein nächster Satz verblüffte Orisian.
    »Ich war sicher, dass du noch lebst, Orisian. Wie schön, dass ich wenigstens diesmal recht behielt.«
    »Du behältst doch immer recht«, entgegnete Orisian. Er musste kämpfen, damit ihm die Stimme nicht versagte.
    Wieder huschte ein Lächeln über die Züge des Na’kyrim , aber seine Augen blieben geschlossen. »Ist Anyara hier?«, fragte er.
    »Ja«, erwiderte sie.
    »Gut.«
    Orisian sah, dass Ess’yr eine Hand über Inurians Hände gelegt hatte. Es war nicht mehr als eine leichte Berührung. Man konnte unmöglich erkennen, ob er sie spürte oder nicht.
    »Wo sind wir?«, erkundigte sich Inurian.
    Orisian glaubte, dass einer der Kyrinin antworten werde, aber Ess’yr schien kaum zu atmen, und Varryn, der sich ein wenig abseits hielt, starrte zur dunklen Wand des Walds hinüber. Er tat, als hätte er Inurians Worte nicht gehört.
    »Am südlichen Rand des Car Criagar«, antwortete Orisian schließlich. »Rothe ist auch bei uns. Er hat dich getragen.«
    »Danke ihm in meinem Namen«, murmelte Inurian. Orisian warf seinem Leibwächter einen Blick zu, und der Hüne nickte fast unmerklich.
    »Wohin führt unser Weg?«
    Orisian zögerte. Immer noch schienen weder Varryn noch Ess’yr bereit zu sein, Inurians Fragen zu beantworten.
    »Wir wollten hinunter nach Glasbridge. Schleiereulen verfolgen uns. Aber nun meint Varryn, dass sie …«
    Inurian hob den Kopf, schlug die Augen auf und schaute suchend umher. »Varryn?«
    »Ja«, sagte Orisian. »Ess’yrs Bruder.« Er merkte, dass Inurian nicht mehr zuhörte. Sein Blick hatte sich auf den hochgewachsenen Kyrinin-Krieger geheftet, der ihnen den Rücken zuwandte. Er wusste allem Anschein nach, wer Varryn war, aber seine Miene verriet nichts. Mit einem leisen Stöhnen ließ er den Kopf zurücksinken.
    »Dann seid ihr in guten Händen«, hauchte er mit tonloser Stimme.
    »Er meint, die Schleiereulen seien nun vor uns. Er will, dass wir höher hinaufsteigen, weg vom Tal«, fuhr Orisian fort.
    Anfangs dachte er, Inurian habe seine Worte nicht gehört oder wieder das Bewusstsein verloren. Aber im nächsten Augenblick sah er die grauen Augen fest auf sich

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