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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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erwiderte Orisian. »Er schickte sie weg. Sagte, sie solle heimfliegen zu ihren Schwestern.«
    Yvane nickte, als habe Orisian ihre Vermutung bestätigt. »Dann wissen sie mittlerweile auf Highfast, dass er tot ist.«
    Sie versank für lange Zeit tief in Gedanken, und weder Orisian noch Anyara wagten sie zu stören. Orisians Blicke wanderten über die rauen Höhlenwände. Er betrachtete die Felszeichnungen – Tiere und Menschen, mit einfachen, breiten Linien umrissen. Es waren archaische Darstellungen, Relikte einer uralten, grob geformten Welt, aber sie passten in diesen vom Feuerschein erhellten Raum.
    »Was weißt du über die Himmelspilger?«, fragte ihn Yvane.
    »Ich höre diesen Namen zum ersten Mal.«
    »Ah, dabei gibt es kein besseres Beispiel für die Beschränktheit eurer Rasse. Kennst du wenigstens die Geschichte von der Ersten Rasse, die das Feuer vom Dach der Welt stahl und sich mit diesem Frevel den Zorn der Götter zuzog? Nun, in den Anfangsjahren der Königreiche verkündeten manche Menschen, sie wollten die Götter zur Rückkehr bewegen, indem sie jene Reise auf das Dach der Welt noch einmal als Bußgang bewältigten. Man nannte sie die Himmelspilger. Dutzende von ihnen kamen auf ihrem Weg zum Tan Dihrin hier vorbei. Aber es war ein Glaube, der keinen Bestand hatte; die meisten Büßer kamen vermutlich in den Bergen elendig zu Tode.«
    »Und von ihnen stammen diese Felszeichnungen?«, fragte Orisian.
    »Das nehme ich an. Für mich ergeben sie nicht viel Sinn, aber sinnvolles Handeln gehörte auch nicht unbedingt zu den Vorzügen der Himmelspilger.«
    »Ihr solltet nicht so abfällig über die Toten sprechen«, murmelte Anyara. »Ich bin überzeugt, dass sie nur das Beste wollten.«
    Zu Orisians Erstaunen nahm Yvane den Tadel an.
    »Vielleicht«, sagte sie. »Wie ich sehe, hat Inurians Denkweise auf dich abgefärbt. Er schalt mich oft, dass ich zu wenig Geduld für die Schwächen der Huanin – und der Kyrinin – aufbringe. Meinte, ich sollte erst einmal selbst alle meine Fehler ablegen, ehe ich allen anderen am Zeug flicke.« Sie lächelte schwach.
    Da kam Rothe in die Felsenkammer gestürmt. Er brachte Schneeflocken und Kälte von draußen mit. Orisian hatte die Welt jenseits der Höhle fast vergessen. Der Leibwächter machte ein ernstes Gesicht.
    »Kommt!«, sagte er. »Ich glaube, dass da jemand war. Aber ihr jungen Leute habt vielleicht schärfere Augen als ich.«
    Orisian und Anyara folgten ihm. Yvane blieb reglos am Feuer sitzen und fachte schweigend die Glut an. Jeder Schritt den kurzen Stollen entlang brachte ihnen das Heulen des Windes näher. Als sie auf den Felsensims hinaustraten, entdeckten sie, dass eine flache graue Wolkendecke den Himmel verdüstert hatte. Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Nebelschwaden hüllten die Gipfelketten im Süden und Westen ein. Mit einer Hand schirmte Orisian die Augen ab.
    »Wo hast du etwas gesehen?«, fragte er Rothe.
    Der Leibwächter deutete den Weg entlang, den sie auf ihrer Flucht vom Sarnsprung eingeschlagen hatten.
    »Dort drüben am Horizont!«, rief er laut, um den Wind zu übertönen. »Ich meine, dass jemand den Kamm überquerte und die gleiche Richtung einschlug wie wir.«
    Orisian und Anyara spähten angestrengt in den Rachen des Car Criagar mit seinem eisigen Atem. Es war vergeblich. Wolken hatten die Landschaft verschlungen.
    »Zwecklos«, bemerkte Rothe.
    Orisian nickte stumm.
    Als sie in den Tunnel zurückkehrten, sah er Rothe fragend an.
    »Hast du irgendwo eine Spur von Ess’yr und Varryn gesehen?«
    Rothe schüttelte nur den Kopf.

    Orisian empfand das Warten als quälend. So oder so verdankte er sein Leben wahrscheinlich Ess’yr und ihrem Bruder. Aber das war nicht der Grund dafür, dass er insbesondere Ess’yrs Rückkehr schmerzlich herbeisehnte. Er hatte in letzter Zeit zu viel Leid erfahren, und er erkannte mit absoluter Klarheit, dass ihr Verlust ihm die letzte Kraft rauben würde, die er noch besaß. Anyara und Rothe waren in ihre eigenen Gedanken vertieft und starrten schweigend in die erlöschende Glut. Yvane schien im Sitzen eingeschlafen zu sein.
    Ess’yr und Varryn schüttelten sich beinahe lässig den Schnee von Schultern und Haaren, als sie die Höhle betraten. Eine Woge der Erleichterung erfasste Orisian. Er sprang vom Feuer auf.
    »Wir dachten schon, euch sei etwas zugestoßen!«, rief er. »Rothe sah jemanden auf dem Hügelkamm jenseits der Ruinen.«
    Varryn stellte Speer und Bogen ab und warf dem Leibwächter

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