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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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sein, im gleichen Zelt, an der gleichen Stelle.
    Und zur Stimme, so war es beschlossen, wollten sie den Na’kyrim bringen. Mit ihr hatte er im Namen der Huanin vom Schwarzen Pfad gesprochen. Ihr hatte er falsche Versprechen gegeben. Deshalb sollte auch sie ihr Urteil über ihn fällen.

    Wain öffnete das Fenster weit und beugte sich in den kalten grauen Frühmorgen hinaus. Die frische Luft strömte in das stickige Schlafgemach, und sie fröstelte. Sie hatte schlecht geschlafen, gestört durch die eigene Unruhe ebenso wie durch den Lärm, der aus der Schankstube nach oben drang.
    Im Hof wimmelte es von Kriegern, die ihre Waffen reinigten, ihre Pferde striegelten, Kessel mit dampfender Brühe beaufsichtigten oder einfach vor sich hin dösten. Manche standen schweigend in Gruppen beisammen, die Arme verschränkt, gegen die Kälte mit den Füßen stampfend. Einige trugen Umhänge oder Mäntel, die sie in Anduran erbeutet hatten. Insgesamt machten die Männer einen abgerissenen, zerlumpten Eindruck.
    Shraeve und eine Handvoll ihrer Raben marschierten durch die Versammlung. Von ihrem Fenster im Obergeschoss aus beobachtete Wain die unbehaglichen Blicke, die den Inkallim folgten. Die Gespräche verstummten, sobald sie näher kamen, und wurden erst wieder aufgenommen, wenn sie sich ein Stück weit entfernt hatten.
    Shraeve schaute auf und nickte Wain zu. Ich bin die Schwester des Thans, dachte Wain, und doch denken die Kinder der Hundert, sie seien mir ebenbürtig – oder gar überlegen. Sie zog sich vom Fenster zurück. Eine Schüssel mit eiskaltem Wasser stand auf dem Waschtisch am Fußende des Betts. Sie tauchte das Gesicht unter, um den letzten Schlaf zu vertreiben.

    Als sie nach unten kam, legte Shraeve gerade Holzscheite auf das Feuer, das die ganze Nacht über gebrannt hatte. Wain hielt nach ihren Hauptleuten Ausschau, sah aber nur zwei von ihnen, die schweigend ihre Hafergrütze löffelten.
    »Von Cannek kam im Morgengrauen eine Botschaft«, sagte Shraeve. Sie stieß mit der Stiefelspitze so heftig gegen die Holzscheite, dass die Funken stoben.
    »Tatsächlich?« Wain suchte verdrießlich nach etwas Essbarem. Als sie nichts entdeckte, fauchte sie die Horin-Gyre-Krieger an: »Besorgt mir einige Scheiben Brot!«
    Einer der Männer erhob sich und verschwand in der Küche.
    »Tatsächlich«, sagte Shraeve. »Am Rande von Glasbridge versammelt sich ein zweites Heer. Es besteht aus den überlebenden Kriegern der Lannis-Haig-Truppen und etwa der Hälfte aller wehrfähigen Männer der Stadt. Das könnte reichen, um uns auf die Probe zu stellen.«
    Der Hauptmann kehrte mit Brot und Käse aus der Küche zurück. Wain warf ihm einen gereizten Blick zu und riss ihm das Tablett aus der Hand.
    »Wo sind meine Kundschafter?«, fuhr sie den erschrockenen Mann an. »Warum erhalte ich keine Berichte von ihnen? Schickt mir jemanden, der über ihren Aufenthalt Bescheid weiß.«
    Eilig verließ der Krieger den Schankraum. Sein Gefährte beugte sich tiefer über die Schüssel mit Hafergrütze, in der Hoffnung, dass ihn die Schwester des Thans unbehelligt ließ.
    »Sie werden Euch nichts anderes berichten als Cannek.«
    »Und warum kam er mit der Nachricht nicht selbst zu mir?«
    »Ich habe Euch ausgerichtet, was er herausfand. Ist es denn so wichtig, wer die Botschaft überbringt?«
    Wain setzte sich und aß. Sie mochte das Brot aus dem Glas-Tal nicht besonders; es kam nicht an die dunklen, würzige Laibe heran, die sie aus dem Norden kannte. Shraeve nahm ihr gegenüber Platz, ohne ihre Einladung abzuwarten. Die beiden Schwerter, die sie überkreuzt auf dem Rücken festgeschnallt hatte, ragten wie erhobene Fäuste in Wains Blickfeld.
    »Also gut«, sagte Wain. »Wie viele Mann?«
    »Das lässt sich nicht genau sagen, aber nach Canneks Schätzung sind es an die tausend Lannis-Kämpfer und noch einmal so viele Leute aus der Stadt. Dazu einige hundert Kilkry-Haig-Krieger – die Überlebenden von Grive sowie eine Handvoll Neuankömmlinge.«
    Wain drehte den breiten Goldring am Mittelfinger der linken Hand. Eine steile Falte stand auf ihrer Stirn. Sie konzentrierte sich so stark, dass sie ihr Frühstück völlig vergaß.
    »Weniger, als wir in Grive besiegten«, murmelte sie nachdenklich. »Aber natürlich sind unsere Truppen inzwischen auch geschrumpft.«
    Sie hatte an die tausend einsatzbereite Krieger in der Umgebung von Siriandeich. Weitere dreihundert Mann befanden sich in Anduran; sie konnten nicht abgezogen werden, weil sie die

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