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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Gewissen. Er hatte nie ganz die Kindheitsangst vor Ilains Schelte abgelegt. Meist hatten Anyara oder Fariel mit irgendwelchen Streichen oder Missgeschicken den Grund für Ilains Zorn geliefert, aber Orisian, der nie so geschickt wie die beiden anderen darin gewesen war, im richtigen Augenblick zu verschwinden, musste die Sache in der Regel ausbaden. Inzwischen war er ihren Schimpftiraden zwar entwachsen, aber wenn Ilain etwas missbilligte, dann gab sie sich nicht die geringste Mühe, dies zu verbergen. Inurian war der Ratgeber von Kennet nan Lannis-Haig und der einzige engere Freund, den Orisians Vater besaß. Aber selbst das reichte nicht aus, um das Unbehagen zu verdrängen, das einige auf der Burg in seiner Nähe empfanden.
    »Der müsste in seinen Gemächern sein«, erklärte Ilain und rauschte hinaus.
    Orisian zögerte. Er wusste, dass er eigentlich seinen Vater aufsuchen sollte, aber er hatte das starke Bedürfnis, diese Begegnung noch eine Weile hinauszuschieben. Der Weg zu Inurian fiel ihm weitaus leichter. Zumindest waren die Gefühle ihm gegenüber völlig unkompliziert.

    Die Tür zu Inurians Gemächern, die sich im obersten Geschoss des Wohnturms befanden, war wie immer verschlossen. Orisian horchte. Kein Laut drang zu ihm heraus. Er klopfte.
    »Komm herein, Orisian!«
    Beim Eintreten umfing ihn sofort der unverkennbare Geruch, der ihm hier immer entgegenströmte, ein schweres Gemisch aus Pergament, Leder und Kräutern. Der Raum war klein und beengt. Bücherregale verdeckten eine Wand, Gestelle mit einer Unzahl von Gläsern und Tiegeln voller Kräuter, Pulver, Gewürze und Erden eine andere. Auf einem altertümlichen, verkratzten Tisch befand sich neben schlampig verstreuten Papieren und Karten eine sorgfältig geordnete Sammlung getrockneter und verschrumpelter Pilze. An einer Schmalseite verbarg ein Vorhang den winzigen Alkoven, der Inurian als Schlafkammer diente. In der Fensternische turnte Idrin, die Krähe, auf ihrer Stange herum.
    Eine Handvoll geschnitzter Holzfiguren und ein kleiner Stapel Manuskripte bedeckten den Schreibtisch, hinter dem Inurian saß, zurückgelehnt und mit lässig über der Brust verschränkten Armen. Er war ein feingliedriger Mann mittleren Alters mit einer zotteligen fahlbraunen Mähne, in der sich die ersten Silberfäden zeigten. Das Auffälligste an seiner Erscheinung war jedoch die Tatsache, dass er zu den Na’kyrim gehörte, den Abkömmlingen zweier Rassen. In ihm vermischten sich die Züge von Huanin und Kyrinin. Von seinem Kyrinin-Vater hatte er durchdringende Augen von einem reinen, hellen Steingrau und schmale, fast farblose Lippen geerbt. Auch die langen Finger mit den gefleckten Nägeln, die nun sichtbar wurden, als er hinter seinem Schreibtisch hervorkam und die Arme zur Begrüßung ausstreckte, zeugten vom Einschlag der fremden Rasse.
    Es gab noch andere, unsichtbare Merkmale. Inurian würde nie Kinder haben. Alle Na’kyrim blieben unfruchtbar. Und da war der Gemeinsame Ort, jenes geheimnisvolle Reich des Geistes, das für reinblütige Huanin und Kyrinin schwer fassbar und deshalb unverständlich war. Nur bei einer Blutvermischung geschah es mitunter, dass ein Na’kyrim -Kind Zugang zu seinen Geheimnissen und besonderen Kräften erhielt. Jene, die Kontakt zum Gemeinsamen Ort aufnehmen konnten, wurden die Erweckten genannt. Inurian gehörte zu ihnen.
    Inurian hatte, solange sich Orisian zurückerinnern konnte, in seiner winzigen Stube hoch droben im Wohnturm der Burg gelebt. Er war noch vor Orisians Geburt nach Kolglas gekommen und hatte in Kennet nan Lannis-Haig einen Menschen gefunden, der – eine Seltenheit in jenen Tagen – einem Na’kyrim seine Freundschaft anbot. Es war eine Haltung, die nicht alle Bewohner der Burg billigten. Der Krieg der Befleckten hatte Huanin und Kyrinin für immer getrennt; den Nachkommen aus Verbindungen, die sich über dieses in der Geschichte begründete Tabu hinwegsetzten, und erst recht jenen, die Aufnahme in die Gemeinschaft des Geistes fanden, brachte man wenig Wohlwollen entgegen. Dennoch stand Inurian nun dem Herrn über Kolglas seit vielen Jahren treu zur Seite. Und nach dem Tod von Lairis und Fariel und Kennets Abgleiten in die Melancholie war er auch für Orisian zu einer immer wichtigeren Bezugsperson geworden.
    »Wie war deine Reise?«, erkundigte sich Inurian. Seine Stimme hatte einen warmen, weichen Klang.
    »Kalt. Und ein wenig feucht.«
    Die Krähe Idrin krächzte auf ihrer Stange am Fenster, und Inurian lachte

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