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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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ausgewachsenen Kater und den Nachwehen eines allem Anschein nach verlustreichen Würfelspiels mit dem Personal des Hafenmeisters. Rothe dagegen zeigte sich bestens gelaunt, aufgeheitert durch die Aussicht, bei Nachteinbruch endlich daheim zu sein, und ein wenig wohl auch durch das Missgeschick seines jungen Kameraden. Während sie durch die Gassen von Glasbridge ritten, über den breiten Fluss im Herzen der Stadt und zum Westtor hinaus, unterhielten er und Orisian sich fröhlich über die Jagd, über Croesan und den steten Aufschwung von Anduran.
    Sie folgten der gepflasterten Straße, die am südlichen Ufer der Flussmündung entlangführte. Die Gegend war dicht besiedelt, und zahlreiche Höfe und Weiler säumten ihren Weg. In den Bächen, die zum Meer hin flossen, drehten sich knarrend die Holzräder kleiner Wassermühlen. Hier und da waren Fischerkähne verankert. An einem Haus nahe der Straße hielten sie an, um Haferkekse und Ziegenkäse zu kaufen – Proviant, den sie unterwegs im Sattel essen konnten. Kylanes Laune besserte sich ein wenig, sobald er etwas im Magen hatte, und er gab einige derbe Geschichten wieder, die er am Vorabend über gewisse Vorkommnisse im Haus des Hafenmeisters erfahren hatte.
    Am Spätnachmittag umrundeten sie eine kleine Landzunge und sahen Kolglas eingerahmt von Wald am anderen Ende einer seichten, mit Felseninseln durchsetzten Bucht liegen. Die auf einer Insel erbaute Burg Kolglas ragte nicht weit vom Ufer entfernt aus dem Wasser – eine Bastion aus verwittertem Stein und so alt, dass sie ein Teil der Landschaft zu sein schien wie die Felsen zu ihren Füßen, an denen sich die Wellen brachen. Da gerade Ebbe herrschte, war der schmale Damm frei, der die Stadt mit der Burg verband. Sie entdeckten einen Karren, der hoch mit Brennholz beladen zur Burg fuhr. Ein breites Lächeln erhellte Orisians Züge.
    »Wer zuerst da ist …!«, schrie er und gab seinem Pferd die Sporen.
    Er hörte Rothes ärgerlichen Ausruf und dann das Dröhnen von Hufen, als die beiden Leibwächter die Verfolgung aufnahmen. Die Jagd um den Uferbogen dauerte nicht lange, aber die Pferde dampften, als der wilde Galopp am Rand von Kolglas zu Ende war.
    Auf der Hauptstraße und in den meisten kleinen Gassen, die zu beiden Seiten abzweigten, herrschte geschäftiges Treiben. In Kolglas strömten zur Zeit der Winterwende die Menschen zusammen wie Schwärme von Möwen, die von einem voll beladenen Fischerboot angelockt werden. Verkaufsstände am Rand des Marktplatzes boten von Kerzen bis zu Schneestiefeln alles an, und die Waren fanden reißenden Absatz. Das Geld, das in den Kassen klingelte, sorgte für gute Laune, die alle anzustecken schien. Einige der Budenbesitzer winkten, als Orisian vorbeiritt, andere riefen ihm einen Willkommensgruß zu.
    Der Platz um den Steinhügel in der Mitte des Markts war dagegen fast leer. Nur eine Schar Kinder jagte kreischend um das Monument, das man zum Gedenken an die Schlacht von Kolglas errichtet hatte. Sirian hatte damals lediglich als Statthalter des Kilkry-Thans in Kolglas gewirkt, zu einer Zeit, da die Verbannung des Gyre-Geschlechts und seiner Anhänger noch nicht lange zurücklag und sich alle schmerzhaft nach einer Rückkehr in die angestammten Gebiete sehnten. Es war Sirian zugefallen, die Heere des Schwarzen Pfads zurückzuschlagen, als sie durch das Tal der Steine und den Lauf des Glas entlang nach Süden vordrangen. Sein Lohn für den Sieg: das Recht, ein eigenes Than-Geschlecht zu gründen, welches über das Tal, das er verteidigt hatte, herrschen und es für immer gegen die in den Norden Vertriebenen schützen sollte.
    Der Steinhügel stand, von spielenden Kindern und müden Reisenden umlagert, seit mehr als einem Jahrhundert an dieser Stelle. Obwohl er einen vertrauten Anblick bot, hatte er für das gesamte Haus Lannis eine symbolträchtige Bedeutung. Kein Bewohner, der von einer Reise zurückkehrte, konnte behaupten, er sei wirklich und wahrhaftig zu Hause, solange er nicht hierhergekommen war. Erst Orisian, dann Rothe und zuletzt Kylane beugten sich aus dem Sattel und legten eine Hand auf den uralten runden Stein, der den Abschluss der Pyramide bildete und von der Berührung zahlloser Fingerspitzen völlig glatt geschliffen war.
    »Zur Burg?«, fragte Rothe, und Orisian nickte.
    Sie begaben sich zum Meer hinunter. Als sie auf den Damm hinausritten, teilten sich die Wolken zum ersten Mal an diesem Tag, und die tief stehende Abendsonne warf schwache Schatten über das

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