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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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es als das unbedeutende Dornach wiedergeboren wurde, und Adravane verfiel langsam in Dekadenz, Wahnsinn und Isolation. Aygll, das schwer unter seinen inneren Spannungen litt, überlebte die Sturmjahre nicht. Seine Ländereien erbten die Geschlechter, die sich aus der Asche erhoben. Die ganze eng verflochtene Vergangenheit drängte zu jenem Zeitpunkt an die Oberfläche, da Orisian zu dem fernen Lagerfeuer eines Volkes hinüberspähte, das er nie kennengelernt hatte.
    »Du weißt noch nichts von Naradins Eber, oder?«, fragte Orisian. »Er hatte eine frische Wunde, in der die Spitze eines Schleiereulen-Pfeils steckte. Wir erlegten ihn ganz in der Nähe von Anduran. Rothe behauptet, dass sich dort seit Jahren keine Kyrinin mehr gezeigt hätten.«
    »Also, das ist merkwürdig.« Inurians gütige Züge wirkten plötzlich ernst.
    »Croesan nahm die Sache nicht besonders ernst. Seiner Ansicht nach hatten sich einige junge Jäger so dicht an die Stadt herangewagt, um ihren Mut zu beweisen.«
    Inurian schüttelte den Kopf. »Der Than zieht die falschen Schlüsse. Um diese Zeit des Jahres streifen die Jäger nicht sehr weit umher. Nein, da stimmt etwas nicht. Das waren ganz bestimmt keine prahlerischen Jugendlichen. Croesan täte gut daran, auf solche Zeichen zu achten.«
    Der Na’kyrim runzelte die Stirn. In Gedanken versunken musterte er die Steine zu seinen Füßen.
    Orisian ließ die Blicke wieder zum Nordufer schweifen.
    »Sie müssten allmählich ihre Winterquartiere aufsuchen, nicht wahr?«, fragte er mit einer Spur von Schwermut in der Stimme.
    »Ja«, entgegnete Inurian und erhob sich. »Sie sind bereits unterwegs. Sämtliche in den Wäldern verstreute A’ans werden zusammenströmen und den Winter gemeinsam in den Vo’ans verbringen. Ein kleines A’an , dort drüben. Zehn oder zwanzig Leute.«
    Orisian starrte zu der dünnen Rauchsäule hinüber. Das Verlangen, mit eigenen Augen zu sehen, was sie bedeutete, ließ sich nicht verdrängen – so unmöglich der Wunsch auch sein mochte. Irgendwo da draußen gab es eine Welt, in der die Vergangenheit nicht so schwer wog, in der es keine dunklen, kummerbeladenen Wälle gab, die bedrohlich über ihm aufragten, und keine mahnenden Hinweise, was vielleicht gewesen wäre. Wenn er diese Welt nicht auf dem stampfenden Deck eines Schiffs aus Tal Dyre finden konnte, dann vielleicht im Wanderleben der Kyrinin, die ungebunden durch die Wälder zogen. Noch während er in die Ferne spähte, verblasste das Feuerzeichen, und nach einer Weile deutete nichts mehr darauf hin, dass es je vorhanden gewesen war. Er schaute Inurian an.
    »Inurian, hast du nicht manchmal den Wunsch …«
    Inurian unterbrach ihn. »Es ist unklug, sich Dinge zu wünschen, die unerfüllbar sind. Das vergiftet nur das Herz.« Der Na’kyrim strich Orisian mit rauer Zärtlichkeit durch die Haare. »Dein Herz ist weit weniger vergiftet als das der meisten Menschen, die ich kenne. Das schätze ich an dir, Orisian.«
    Orisian erwiderte nichts, aber eine unbestimmte Sehnsucht blieb in seinem Innern.
    »Sobald das Winterfest vorbei ist, muss ich mein Boot an einen geschützteren Liegeplatz bringen«, sagte Inurian. »Willst du mir dabei helfen?«
    Orisian lächelte.

    Die Sonne erhob sich zum letzten Mal im Herbst. Ihre blassen Finger strichen über die Schneefelder und hohen Gipfel des Tan Dihrin, ehe sie sich ins Tal des Flusses Glas hinuntertasteten und im äußersten Norden der Ländereien von Lannis-Haig die befestigte Stadt Tanwrye erreichten, die sich eng in die Mulde des Tals der Steine schmiegte. Müde Männer verließen gerade ihre Posten auf dem Wall und ließen sich aus dampfenden Kesseln Haferbrei und Brotsuppe in die Frühstücksnäpfe füllen.
    Das graue Licht floss weiter nach Süden und Westen, über das hohe Ried und Schilf saurer Wiesen hinweg auf Targlas zu. Rinder erhoben sich von ihren Schlafplätzen, Schnepfen und Kiebitze regten sich zwischen den Grasbüscheln. In Targlas erhellte die Sonne Rauchsäulen, die aus Hunderten von Feuerstellen aufstiegen, an denen Viehtreiber, Hirten und Fallensteller die kältesteifen Glieder wärmten. Ein Schäfer schrie seine Hunde an, während er die Herde aus dem Pferch scheuchte. Das breite Band des Flusses wand sich an der Stadt vorbei, und die Sonne folgte ihm, bis sie auf Anduran stieß.
    Die große Stadt war bereits halb erwacht. Händler errichteten ihre Stände auf dem Marktplatz, und Hunde jagten einander durch die Nebengassen. Die mächtige Burg am Glas

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