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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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schlitterte die Felsen am Fuß der Burgmauer entlang, bis er Inurian entdeckte. Der Na’kyrim kauerte am Ufer und stocherte mit einem Stock zwischen den Steinen herum. Der Saum seines langen dunklen Gewands schleifte im Wasser.
    »Was tust du da?«, rief Orisian ihm zu.
    »Ich suche nach Seeigeln.«
    »Warum?«
    Inurian ließ sich auf einem Felsblock nieder. »Nun, erstens weil man sie trocknen und zu einem Pulver zerstampfen kann, das aufgebrüht angeblich gegen Wasser im Brustraum hilft. Ich selbst hege da meine Zweifel, aber wer weiß? Zweitens weil Idrin ausgerechnet in dem Augenblick den Einfall hatte, die Mörserschale umzuwerfen, als ich gerade einen schönen neuen Vorrat angelegt hatte. Ein Großteil des Pulvers verschwand in den Dielenritzen.«
    »Oh.«
    Verdrießlich warf Inurian den Stock ins Wasser. »Aber hier sind keine.«
    Orisian setzte sich neben ihn. Sie schauten zu den Hügeln hinüber, bis Inurian bemerkte, dass sein Gewand nass war. Leise fluchend wand er es aus.
    Nach einer Weile kniff Orisian die Augen zusammen und hielt den Kopf ein wenig schräg. Er konnte sich täuschen, aber er glaubte einen dünnen Rauchfaden zwischen den Bäumen am anderen Ufer zu sehen.
    »Siehst du den Rauch?« Er wusste, dass Inurian mit seinen Kyrinin-Augen sehr viel schärfer sah als er.
    »Allerdings«, bestätigte Inurian, ohne auch nur aufzuschauen. »Er steigt schon seit geraumer Zeit auf. Ziemlich leichtsinnig.«
    Einen Augenblick lang war Orisian verwirrt. Dann verstand er. Er warf dem Na’kyrim einen Blick zu.
    »Kyrinin? Ein Kyrinin-Lager?«
    Inurian nickte.
    »Also Füchse?«, fuhr Orisian fort. »Dort drüben gibt es nur den Clan der Füchse, nicht wahr?«
    Inurians Vater hatte dem Fuchs-Clan angehört. Mehr als das wusste Orisian nicht über sein Kyrinin-Erbe. Obwohl er nie zu fragen gewagt hatte, war er ziemlich sicher, dass Inurian die Hügel und Wälder des Car Anagais nicht nur auf der Suche nach Pilzen oder Kräutern durchstreifte, sondern auch um die Lager der Füchse zu besuchen. Seine Sehnsucht, den Na’kyrim auf einer dieser Wanderungen zu begleiten, beruhte vor allem auf dem Wunsch, einmal ein solches Lager zu sehen. Was immer andere seiner Rasse von den Kyrinin halten mochten, die in den Randgebieten seiner Heimat lebten, Orisian hätte gern mehr über sie erfahren.
    »Nur die Füchse«, bestätigte Inurian. »Vermutlich fühlen sie sich in dieser unzugänglichen Gegend zu Recht sicher. Ich finde es dennoch leichtsinnig, ein so deutliches Zeichen zu geben. Ich hätte sie für klüger gehalten.«
    »Wen?«
    Inurian blinzelte. »Nun, die Bewohner dieses Lagers eben.«
    »Droht ihnen denn eine echte Gefahr?«, erkundigte sich Orisian.
    Inurian hob die Schultern. »Dein Onkel erhebt Anspruch auf das Land, obwohl es unbewohnt ist. Die Kyrinin haben einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt, um sich auf Lannis-Haig-Gebiet vorzuwagen.«
    »Aber wenn sie zu den Füchsen gehören … Schwierigkeiten machen eher die Schleiereulen in Anlane.«
    Inurian musterte seinen jungen Gesprächspartner mit hochgezogenen Augenbrauen. »Du enttäuschst mich, wenn du im Ernst glaubst, dass deine Landsleute da einen großen Unterschied machen, Orisian. Nicht jeder – genau genommen kaum jemand – denkt über diese Dinge so wie du. Füchse und Schleiereulen lieferten sich erbitterte Kämpfe, lange bevor es euer Haus überhaupt gab, aber für die meisten Huanin sind sie allesamt Waldelfen und damit Schluss.«
    Orisian konnte das nicht leugnen. Seit dem Krieg der Befleckten tat sich ein Abgrund zwischen den beiden Rassen auf. Die drei Königreiche der Huanin – Aygll, Alsire und Adravane – hatten sich gegen die Kyrinin-Stämme verbündet. Und bei aller Grausamkeit, welche die Welt seither erlebt hatte, war nichts dem Gemetzel jenes überwältigenden Konflikts gleichgekommen. Scharen von Toten hatten die Fluren bedeckt, bis der Leichengestank selbst die Aasfresser in die Flucht schlug. Es hieß, dass ein Mann einen Tag lang über Gefallene steigen konnte, ohne je den Boden zu berühren. Die Kyrinin-Stadt Tane, die herrlichste Stadt, die es je gegeben hatte, wurde zerstört. Der Krieg hatte erst ein Ende gefunden, als sich die Anain, die mächtigste und geheimnisvollste aller Rassen, aus ihrer unbekannten Ruhestatt erhob, von den Ruinen der Stadt Tane Besitz ergriff und ringsum das undurchdringliche Labyrinth des Tiefen Waldes pflanzte.
    Der Sieg der Königreiche hatte sich nicht gelohnt. Alsire ging im Chaos unter, bis

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