Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
Vom Netzwerk:
Ihr mich gerettet habt, kamen mit Euch!«
    Aeglyss seufzte verärgert. »Ich will doch nur Eure Freundschaft, Inurian«, sagte er. »Ihr habt gesehen, wozu ich imstande bin. Der Zugang zur Gemeinschaft des Geistes fällt mir leicht, wie Ihr wisst. Aber ich bin noch jung. Ich muss noch viel lernen. Man sagte mir, dass Ihr mehr über den Gemeinsamen Ort wisst als alle anderen. Ihr besitzt hohes Ansehen. Nur deshalb kam ich nach Kolglas. Die Inkallim hatten es auf die Familie des Thans abgesehen. Mir ging es einzig und allein um Euch.«
    Als Inurian keine Antwort gab, sprach Aeglyss ruhig, aber beharrlich weiter.
    »Ihr könntet mir Euer Wissen vermitteln. Und ich könnte Euch meine Kraft zur Verfügung stellen. Wie viele Na’kyrim habt Ihr kennengelernt, die Euch so abwehren konnten wie ich? Ich könnte uns beide groß machen. Und ich habe mächtige Freunde. Ohne mich hätten die Schleiereulen niemals zugestimmt, den Gyre-Geschlechtern zu helfen. Ohne mich wäre dieses Unternehmen niemals geglückt. Horin-Gyre steht in meiner Schuld. Wenn alles vorbei ist, werde ich selbst zu den Mächtigen gehören. Ihr könntet an diesem Aufstieg teilhaben.«
    »Lasst mich in Frieden«, knurrte Inurian.
    Aeglyss schwieg für eine Weile. Dann hob er die Schultern. »Nun gut. Ihr werdet Euch noch anders besinnen. Mädchen! Anyara!«
    Beim scharfen Klang dieser Stimme fuhr Anyara zusammen. Mühsam hob sie den schweren Kopf. Ihre Sicht wurde klar, als sich die Wolkenschicht vor ihren Augen teilte, die sie jetzt erst bemerkte.
    »Habt Ihr Hunger, Mädchen?«, fragte Aeglyss.
    Und im gleichen Augenblick war der Hunger wieder da, nagte wütender als zuvor in der Magengrube und sog ihr die Kraft aus den Beinen. Sie verlor das Gleichgewicht und wäre um ein Haar gestürzt. Inurian sah sie besorgt an. Ein seltsamer Schmerz lag auf seinen Zügen. Sie versuchte zu lächeln, wusste aber nicht recht, ob sie Inurian täuschen konnte. Ein kurzer Blick über die Schulter verriet ihr, dass Aeglyss sich entfernt hatte.
    »Ich war fast eingeschlafen«, sagte sie.
    »Das schien dir nur so«, entgegnete Inurian düster, ehe ein harter Ruck an den Stricken sie daran erinnerte, dass es klüger war zu schweigen.

    Sie setzten ihren Weg durch immer holprigeres Gelände fort, über kleine Bäche und lang gestreckte, niedrige Hügelkämme, die den Wald durchzogen. Schmale Trampelpfade wanden sich an den mächtigen Felsblöcken vorbei, die hier und da aus den Hängen ragten. Birken, Kiefern und mit Flechten bewachsene Eichen bildeten einen lichten Wald. Anyara war sicher, dass sie sich noch im Herrschaftsgebiet ihres Hauses befanden, aber sie sah nirgends eine Spur von Menschen oder Vieh. Hirten wagten sich vermutlich nur im Sommer in diese Wildnis und auch nur dann, wenn sie keinen Weidegrund mehr in der Nähe ihrer Behausungen fanden.
    Am frühen Nachmittag stießen sie auf einige Mitglieder des Hauses Lannis-Haig, doch das war alles andere als ein Anlass zur Freude. Sie arbeiteten sich in einer schrägen Linie hangabwärts auf einen Bach zu, der glucksend über die Felsen sprang. Als sie ihn erreichten, sahen sie, dass am Ufer Jäger kampiert hatten, bevor jemand die Zelte niedergerissen und das Feuer gelöscht hatte. Die drei Männer, die das Lager errichtet hatten, waren tot. Anyara starrte sie im Vorübergehen an. Einer lag auf dem Rücken, den Mund halb offen, die leeren Augen zum Himmel gerichtet. Er war jung, vielleicht sechzehn. Orisians Alter. Etwas schnürte ihr die Kehle zu, und sie wandte den Blick ab.
    Bald darauf wurden sie wieder auf die Pferde gezerrt, und es ging in großer Eile weiter. Anyaras Magen knurrte nun so heftig, dass ihr der Hunger fast körperliche Schmerzen bereitete. Sie merkte, dass sie immer wieder einnickte. Nur die Arme des Inkallim-Reiters um ihre Taille verhinderten, dass sie vom Pferd stürzte. Im Halbschlaf merkte sie, dass der Weg nun stetig anstieg.
    Sehr viel später spürte sie, einer Ohnmacht nahe, wie ihr eine kühle Brise über das Gesicht fächelte. Kräftige Hände hoben sie vom Pferd. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten und sank zusammen. Als sie die bleischweren Lider aufschlug, sah sie Wolken über einen trüben Himmel jagen. Zum ersten Mal seit Langem behinderten keine Äste ihre Sicht. Hoch droben, unendlich weit entfernt von dem Flecken harten Bodens, auf dem sie lag, zog ein Adler gelassen seine Kreise. Sie verfolgte ihn eine Zeit lang mit den Blicken und stellte sich vor, wie sich ihre Gedanken

Weitere Kostenlose Bücher