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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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oft gebeten, ihn auf eine seiner Wanderungen in diese Berge mitzunehmen. Und nun war er hier, inmitten des Volkes, das der Na’kyrim gekannt und besucht hatte. Er war in einen Albtraum geraten und in jenen verborgenen Teil von Inurians Leben gestolpert, der schon immer seine Neugier geweckt hatte. Aber Inurian war nicht bei ihm, und nichts war so, wie er es erhofft hatte.
    »Sie kommt zurück«, sagte Rothe leise.
    »Ihr müsst wieder nach drinnen«, erklärte die Frau.
    Rothe und Orisian konnten nicht zusammenbleiben. Zorn über die erzwungene Trennung umwölkte Rothes Züge.
    »Es ist alles in Ordnung!«, rief Orisian seinem Leibwächter nach, obwohl er nicht sicher war, ob das stimmte. Zu seiner Überraschung folgte ihm die Frau in das Zelt und wartete, bis er sich auf seinem Lager ausgestreckt hatte. Dann kauerte sie neben ihm nieder.
    »Kennst du Inurian gut?«, fragte er sie.
    »Du musst morgen mit In’hynyr sprechen«, entgegnete sie.
    Orisian warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
    »Die Vo’an’tyr . Die …« Sie verzog das Gesicht, offensichtlich ungehalten darüber, dass sie nicht die richtigen Worte fand. »Sie ist der Wille des Vo’an .«
    »Ich verstehe«, murmelte Orisian matt.
    »Manche wollen euch zur Weide schicken.«
    »Was bedeutet das?«
    »Sie wollen euch töten.«
    »Warum?«, fragte Orisian.
    »Ihr seid Huanin. Vielleicht keine Freunde der Füchse. Manche meinen, ihr hättet hier nichts zu suchen.«
    »Aber wir wurden hergebracht«, widersprach Orisian. »Wir kamen nicht freiwillig in dieses Lager.«
    »Du wärst tot, wenn ich dich nicht hergebracht hätte. Die benötigten Heilmittel waren hier.«
    Orisian presste die Fäuste gegen die Augen. Vielleicht hatte Rothe doch recht. Hier gab es nichts als Gefahren. Die Waldelfen waren Wilde mit seltsam gewundenen Gedankengängen.
    »Die Vo’an’tyr wird dich holen lassen.« Sie stand auf und schickte sich an, das Zelt zu verlassen.
    »Warte!«, rief er. »Wirst du morgen dabei sein?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Werden sie meine Sprache verstehen?«
    »In’hynyr hat viele Winter in Koldihrve verbracht.«
    Einen Moment lang war Orisian verwirrt, doch dann verstand er. Koldihrve – die Siedlung der Herrenlosen, die jenseits des Car Criagar an der Mündung des Dihrve-Flusses lag. Sie galt als wild und gefährlich, umso mehr, als die Füchse am Stadtrand ein Winterlager hatten. Es war seines Wissens nach der einzige Ort, wo Huanin und Kyrinin noch Seite an Seite lebten.
    »Dort hast auch du unsere Sprache erlernt?«
    »Genug der Fragen.« Sie wandte sich dem Ausgang zu.
    »Sag mir wenigstens, wie du heißt«, bat Orisian.
    »Ess’yr.«
    Damit verließ sie das Zelt, und Orisian blieb allein zurück. Nach einer Weile – einem toten Zeitraum, in dem ihm wirre Gedanken ungehindert durch den Kopf kreisten – stiegen ihm aus keinen bestimmten und doch allen möglichen Gründen Tränen in die Augen.

    Sie kamen am Morgen, doch er lag bereits eine Zeit lang wach. Lautes Hundegebell hatte ihn noch vor Tagesanbruch geweckt, und düstere Gedanken verhinderten, dass er noch einmal einschlief. Als die Kyrinin das Zelt betraten, hatte er gerade den Umschlag gelöst, um seine Wunde zu untersuchen. Er sah eine tiefrote Narbe, die gut zu verheilen schien. Ihm blieb keine Zeit mehr, den Verband wieder anzulegen. Schweigsame Kyrinin-Krieger führten ihn aus dem Zelt.
    Nässe hing in der Luft, halb dichter Nebel, halb Sprühregen. Ihr Schleier dämpfte die Geräusche, und die Umrisse des Vo’an verschwammen. Sie durchquerten einen Bereich des Lagers, den er bisher noch nicht gesehen hatte. Ein Hang führte hinauf zu einem Hain, in dem sich eine Schutzhütte abseits anderer erhob. Davor befand sich eine Fläche mit festgestampfter Erde, in die hohe Pfähle gerammt waren. An einem war eine Säule aus Tierschädeln befestigt, an einem anderen Biberpelze, an einem dritten Girlanden aus Stechpalmenzweigen. Die Krieger schickten Orisian allein in die Hütte.
    Ein süßlicher Geruch nach Kräutern hing in der Luft, so intensiv, dass er sich wie ein feuchtes Tuch über Orisians Nase und Mund zu legen schien. Er musste plötzlich gegen einen starken Brechreiz ankämpfen. Um ein helles Feuer, das in der Mitte des großen Zelts brannte, scharten sich Kyrinin. Als er eintrat, wandten sich alle Blicke ihm zu. Eine der Frauen erhob sich und streckte die Arme nach ihm aus. Er wich vor der Berührung zurück. Sie packte ihn an den Schultern und drückte ihn zu

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