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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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zu strecken.
    »Ja«, sagte er.
    Immer noch auf Rothes Arm gestützt, folgte Orisian der Frau ins Freie hinaus. Seine Augen hatten vergessen, wie grell das Tageslicht sein konnte, und tränten, aber die Brise im Gesicht und die kalte Luft auf der Haut waren so erfrischend, als wäre er an einem heißen Sommertag in einen kühlen Teich getaucht. Er blinzelte, schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Die Frau beobachtete ihn mit einem Lächeln.
    Die Sonnenstrahlen fielen schräg von Westen ein. Ein Hund sprang mit lautem Gebell vorbei, tauchte vom Licht in den Schatten und erschien wieder im Licht. Kinder rannten lachend und kreischend hinter ihm her. Als sie Orisian und Rothe vor dem Zelt sahen, blieben sie wie angewurzelt in einem dichten Knäuel stehen und gafften sie an. Orisians Blicke folgten dem Hund, der weiterrannte und zwischen den Hütten verschwand.
    Er befand sich in einem großen Lager der Füchse. Kuppelzelte aus Häuten und Fellen standen zwischen den Bäumen, so weit das Auge reichte. Kyrinin gingen ihren Beschäftigungen nach. Es gab Hunde, und einige Ziegen wanderten umher, rupften Gras oder knabberten an Sträuchern. Es war ein heller, frischer Wintertag, und die Szene vermittelte ein Gefühl des Friedens.
    Dann sah er das Ding, nicht weit von der Hütte entfernt, in der er geschlafen hatte. Ein Holzrahmen stützte ein Gebilde aus geflochtenen Zweigen und Gräsern, das irgendwie an ein riesiges Gesicht erinnerte. Er hatte es in seinen Albträumen gesehen.
    »Was ist das?«, fragte er.
    Die Frau folgte seinem Blick, gab aber keine Antwort.
    Immer mehr Kyrinin versammelten sich jetzt. Sie strömten herbei, als folgten sie einem stummen Aufruf, bildeten einen Halbkreis und beobachteten Orisian und Rothe. Viele von ihnen umklammerten Speere. Rothe trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Die Frau sagte etwas in ihrer Sprache, und einige der Umstehenden nickten schwach. Die Kinder, denen durch die Ankunft der Erwachsenen die Sicht auf die fremden Besucher versperrt wurde, drängten sich durch den Wald von Beinen wieder nach vorn.
    »Hunger?«, fragte die Frau.
    Orisian nickte. Die Menge gab wortlos eine Gasse frei. Als sie durch die Reihen der Kyrinin gingen, spürte Orisian, wie plötzlich ein starkes Unbehagen in ihm aufstieg, als sei es von Rothe auf ihn übergesprungen. Diese Leute, die ihm so nahe waren, dass er sie berühren konnte, wenn er nur die Hand ausstreckte, waren anders, als er sie sich vorgestellt hatte. Er hatte sich in seinen Tagträumen ausgemalt, dass sie zart, fast zerbrechlich wären. Aber bei aller Anmut ihres schmalen Körperbaus besaßen sie Muskelkraft und großes Selbstvertrauen. Selbst ihr Schweigen schien geradezu greifbar zu sein. Er war froh, dass Rothe den Arm um ihn gelegt hatte, nicht nur als Stütze, sondern auch als Schutz.
    Nachdem sie den Ring der Kyrinin durchbrochen hatten, brachte die Frau sie zu einem kleinen Feuer. Ein Mädchen drehte einen Hasen an einem Spieß. Fett fiel spritzend und zischend in die Flammen. Das Mädchen entfernte sich mit schwebenden Schritten, als sie näher kamen.
    »Esst!«, forderte die Frau ihn auf.
    Orisian ließ sich auf dem Waldboden nieder und nahm mit überkreuzten Beinen vor dem Feuer Platz. Der Bratengeruch weckte einen wilden Heißhunger in ihm. Rothe nahm den Hasen vom Feuer und legte ihn auf einen Stein. Sie lösten das Fleisch in Streifen von den Knochen. Gierig schlang Orisian das Fleisch in sich hinein. Selten hatte ihm eine Mahlzeit so gut geschmeckt. Eingehüllt in den warmen Umhang und umgeben von der frischen, kalten Luft, hatte er zum ersten Mal seit dem Erwachen wieder das Gefühl, er selbst zu sein. Erst als der Hase zu einem kleinen Häuflein fettiger Knochen geschrumpft war, legte er eine Pause ein. Er versuchte sich den Fleischsaft von Mund und Kinn zu wischen, aber das Zeug klebte fest.
    Er schaute zu der Frau auf, die neben ihm stand.
    »Woher wusstest du, dass mein Bruder Fariel hieß?«, fragte er.
    Der Gesichtsausdruck der Kyrinin-Frau veränderte sich nicht. »Inurian sprach von ihm«, sagte sie und wandte sich zum Gehen.
    »Du kennst Inurian?«, rief er ihr nach.
    Sie ging auf die gaffende Menge zu und sprach mit einigen der Leute. Ein magerer Hund kam und versuchte sich einen der Knochen zu schnappen. Rothe scheuchte ihn weg. Das Tier knurrte böse, ehe es sich knapp außer Reichweite des Kriegers hinlegte und unverwandt die Reste des Mahls fixierte. Orisian starrte in die Glut. Er hatte Inurian

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