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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Feinden der Füchse«, sagte er. »Und wir sind keine Freunde der Schleiereulen.«
    »Der Burgherr im Tal kämpft gegen die Schleiereulen. Das ist gut. Hast du in Anlane ebenfalls Krieg gegen den Feind geführt?«
    »Ich habe nicht selbst zu den Waffen gegriffen, wenn du das meinst. Aber unsere Krieger zogen in den Kampf, als sie unsere Männer in den Wäldern überfielen. Rothe, der Mann, der bei mir ist, hat gegen sie gekämpft. Er ist ein Feind der Schleiereulen.«
    Orisian spürte, dass ihm erneut übel wurde, von der Hitze, dem betäubenden Kräutergeruch im Zelt, der Müdigkeit, die ihn bis ins Mark durchdrang.
    »Alle sind gegen die Füchse«, fuhr In’hynyr fort. »Wir sind ein kleiner Clan. Achtzig A’ans . Die Schleiereulen, die wie Bienen umherschwärmen, haben fünfmal so viele Leute. Deine Rasse breitet sich im Tal aus wie die Mäuse im Gras. Wir sind ein kleiner Clan, aber wir behaupten uns gegen unsere Feinde. Um uns zu behaupten, muss unser Blick scharf und unser Verstand klar sein wie bei den Füchsen. Ess’yr fühlte sich für dich verantwortlich, und wir erlaubten ihr, dir zu helfen. Unsere Verantwortung aber gilt dem Vo’an . Ist der Vo’an sicher?«
    »Ich habe nur den Wunsch, zu meinem Volk zurückzukehren. Ich werde niemandem verraten, wo der Vo’an ist. Auch Rothe wird schweigen, wenn ich ihn darum bitte. Wir wollen nur nach Hause.«
    Er konnte nicht mehr sprechen. Hinter seinen Augen hämmerte und dröhnte es. Alle Geschichten, die er je über die Kyrinin gehört hatte, kreisten in seinem Kopf. Jedes grausame Gemetzel, das sie angerichtet hatten, forderte seine Aufmerksamkeit: Kinder auf entlegenen Höfen, in ihren Betten ermordet; Krieger, die bei Zusammenstößen in den Wäldern in Gefangenschaft geraten und grausam gefoltert worden waren. Aber er klammerte sich daran, dass Geschichten nur Geschichten waren und dass sie weder von ihm noch vom Hier und Jetzt handelten. Er konnte nicht glauben, dass er dem Schrecken des Winterfest-Überfalls entkommen war, nur um von dieser kleinen Greisin mit den roten Strähnen im Silberhaar zum Tod verurteilt zu werden.
    »Trink!«, verlangte In’hynyr. Einen Moment lang starrte Orisian sie verständnislos an. Dann erinnerte er sich an die kleine Holzschale mit dem herben Gebräu, die immer noch auf seinen Knien stand. Zögernd hob er sie an die Lippen und nahm einige Schlucke. Die Flüssigkeit hatte sich etwas abgekühlt, und obwohl sie immer noch bitter schmeckte, brannte sie nicht mehr so stark. Seine Gedanken wurden klarer. Die bedrückende Hitze wich von ihm.
    »Was ist dein Versprechen wert?«, fragte ihn In’hynyr.
    Orisian suchte nach den richtigen Worten, mit denen er diese Frau überzeugen konnte.
    »Es verpflichtet mich«, sagte er. »So wie du dich dem Vo’an verpflichtet fühlst. Und wie sich deinen Worten nach Ess’yr mir verpflichtet fühlte. Ich bin es mir selbst und dir schuldig, dieses Versprechen zu halten.«
    »Wohin wirst du gehen?«
    »Gehen? Ich …« Er zögerte. Wohin würde er gehen? Sein Vater lebte nicht mehr. Das Gleiche galt vermutlich für Anyara und Inurian. Und Kolglas war weit weg, sofern Rothes Einschätzung über den Weg stimmte, den sie zurückgelegt hatten. »Zuerst einmal nach Anduran, denke ich. Zu meinem Onkel, dem Than. Wenn eure Beobachtungen den Tatsachen entsprechen, wird mein Volk Krieg gegen die Stämme des Schwarzen Pfads und die Schleiereulen führen. Ich muss meinen Beitrag leisten.«
    Irgendwo in den Schatten des Zeltes verborgen, hatte jemand zu singen begonnen. Es war ein sanfter Sprechgesang, so leise und tief, dass er wie ein fernes Murmeln klang. Orisian konnte nicht einmal genau sagen, ob er nur eine Stimme vernahm oder einen ganzen Chor. Das Lied enthielt keine Worte. Es vermittelte Trauer.
    »Ich wünsche den Füchsen nichts Böses«, wiederholte er. »Ich bin nicht euer Feind. Wenn es zum Krieg kommt, so werden wir ihn gegen andere Huanin und gegen die Schleiereulen führen. Nicht gegen die Füchse.« Mehr fiel ihm nicht ein.
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Nur der Gesang umschwebte ihn. Er senkte den Blick und starrte in die Schale, die er auf dem Schoß abgestellt hatte. Der Trank darin wurde rasch kalt. Ein dünnes Dampfwölkchen stieg zu ihm auf.
    »Lass uns allein!«, sagte In’hynyr schließlich.
    Eine Woge der Erleichterung erfasste ihn. Er richtete sich mühsam auf. In seinem Eifer, ins Freie zu gelangen, achtete er nicht auf den Schmerz in seiner Seite. Erst als er die

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