Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
neue Freundin von Leonie.“ Leonie konnte bei ihrem Auftritt ein inneres Grinsen nicht zurückhalten. Sie wusste genau, dass Anke sich provoziert fühlte von Onkel Lennart. An ihrem Blick hatte sie gleich bemerkt, dass Anke ihn ebenfalls nicht sonderlich leiden konnte. Lennart nickte flüchtig, als würde ihn ihre Erklärung nicht interessieren. Schweigen kam auf. Leonie schaute verstohlen in die Gesichter. Jeder schien nachzudenken. Nach einer Weile räusperte sich Johannes. „Hat Herbert gesagt, Leonie, wer dein Vater ist, wenn er es nicht war?“ Seine Frage klang vorsichtig. Auch Onkel Lennart schien gespannt auf ihre Antwort zu warten. Leonie begann, langsam den Kopf zu schütteln. Johannes forschte weiter. „ Warum hat er das behauptet? Ich meine, was hat er damit bezweckt? Ich behaupte doch nicht nach fast zwanzig Jahren so etwas, wenn ich nichts damit beabsichtige“, folgerte Johannes weiter. Lennart räusperte sich. Leonie wurde es heiß, als sie sich an die Worte erinnerte, die Vater damals gefaselt hatte nach dem Streit mit Broll im Weinverkauf. Wahrscheinlich kaufte ihr das eh keiner ab, wenn sie das jetzt erzählen würde. Pastor Lennart räusperte sich erneut und Sekunden später glaubte Leonie, ihren Ohren nicht zu trauen. „Herbert wollte Leonie heiraten.“
Das Schweigen auf Lennarts Aussage war unerträglich. Vater hatte also längst mit Onkel Lennart darüber gesprochen. Er hatte es tatsächlich ernst gemeint. Als wenn ich ihn geheiratet hätte. Nie im Leben. Eher wäre ich gestorben, dachte sie erschrocken. Leonie spürte alle Blicke auf sich gerichtet. Nicht nur Anke schaute argwöhnisch. Als sich endlich Johannes’ Überraschung in einem laute n, abgehackten, fast verstörten Lachen entlud, war Leonie direkt erleichtert.
„ Er wollte waaas?“, prustete Johannes und hielt sich die Hand vor den Mund, als könne er seinem Ausbruch damit Einhalt gebieten. „Entschuldigt, Leute, aber wirklich ...!“ Unvermittelt hielt er inne. „Entschuldigung, ich hatte fast vergessen, dass er tot ist, Entschuldigung.“
Lennart richtete wieder das Wort an Leonie. „Ich sehe, Leonie, wie dich das aufwühlt, aber“, er räusperte sich, „am besten, du lässt alles wie es war. Herbert Rosskamp, mein Freund, betonte er, ist tot, du hast ihn zwanzig Jahre als deinen Vater angesehen, und es muss nicht sein, dass sich das jetzt nach seinem Tod ändert. Zumal auch der Grund, weswegen er sich offenbaren wollte, hinfällig geworden ist.“
Leonie sah Onkel Lennart mit großen Augen an. „Bitte? Du meinst, es wäre nicht nötig für mich zu erfahren, von wem ich stamme?“
Lennart hob beschwichtigend die Hände. „Mein Kind, verstehe doch.“
„ Nein! Ich verstehe nicht, überhaupt nicht! Und das ausgerechnet du mir abrätst, schon gar nicht! Ich war sicher, du würdest der Letzte sein, der meinen Wunsch nicht nachvollziehen könnte.“
Leonie war zum Fenster gegangen und sah hinaus in die Weinberge. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie zuckte zusammen, als Lennart hinter ihr trat und seine Arme um sie legte.
„Ich meine doch nur, es lohnt sich, zu überlegen, ob die Aufruhr, die damit einhergeht, für alle Beteiligten sinnvoll ist oder womöglich mehr Schaden anrichtet, als es jetzt abzusehen ist.“
Leonie stöhnte auf und entwand sich ihm.
„Sicher“, meinte Johannes in einer merkwürdigen Weise zögerlich, „irgendwo hat Pastor Lennart recht, obwohl ich auch dich verstehe. Aber Suchen und Nachforschungen verursachen wirklich nur Aufruhr. Jeder würde überlegen, wessen Bastard du bist.“
„ Jetzt ...“, ereiferte sich Lennart, „wirst du respektiert und bist angesehen, wenn aber das Ganze erst losgetreten ist, werden sie dich alle mit skeptischen Augen ansehen. Du könntest alles verlieren.“
Leonie schnaubte deprimiert und fuhr sich aufgewühlt durch die Haare. Eine Weile starrte sie ins Leere.
„Stimmt«, bestätigte Johannes, »Lennart hat recht, jetzt achtet dich jeder als Leonie Rosskamp.“ Die Art, wie er das sagte, zwang Leonie, ihn anzusehen. Sie zog leicht die Augenbrauen zusammen, etwas in seiner Stimme klang falsch. „Lass es, wie es ist, mein Kind“, beschwor Onkel Lennart sie.
21
„ Das war ein total verrückter Nachmittag.“ Anke nippte an ihrem Rotwein, einen Neuenahrer Sonnenberg vom Weingut Peter Lingen, ausgezeichnet mit der Goldenen Kammermünze . Erst vor einer guten halben Stunde hatte Wolf sie von den › Rosskamp Terrassen‹ abgeholt. Nun
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