Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
saßen sie in Bad Neuenahr direkt an der Ahr in einem kleinen Straßencafé. Die Sonne hatte am Nachmittag doch noch den Durchbruch geschafft. Die Tische um sie herum waren gut besetzt. Wolf hatte nicht viel gefragt. Er kannte sie, sie würde schon reden, wenn sie so weit war.
„ Rosskamp hat einen Bruder, der plötzlich aus der fernen Welt aufgetaucht ist und dann stand plötzlich noch dieser Priester vor der Tür. Du erinnerst dich, den wir auf dem Parkplatz mit Rosskamp gesehen haben und den Leonie Onkel Lennart nennt.“
Wolf nickte, holte Luft, schien etwas sagen zu wollen, doch Anke redete sogleich weiter. „Aber das war noch nicht alles. Zu guter Letzt tauchte noch Hauptkommissar Münch auf.“ Sie setzte eine entsprechende Miene auf, die Hauptkommissar Münch’s wiedergeben sollte. „Er hatte ein paar eilige Fragen an Leonie. „›Frau Rosskamp, besaß Ihr Vater ein Handy? Bei dem Toten als auch im weiteren Umfeld haben wir keines gefunden‹. Leonie bejahte den Besitz eines Handys. Mein Gott, wer hat heute keines. Darauf Münch: ›Ist es möglicherweise noch im Haus?‹, worauf Leonie und er die Wohnung durchsuchten, anschließend den Weinverkauf, den Weinkeller etc. Es wurde keines gefunden.“
„ Der Mörder hat es aus gutem Grund verschwinden lassen“, warf Wolf ein.
„ Klar, aber es ist für die Bullen doch ein Leichtes, auf Richterbeschluss beim Provider den Verbindungsnachweis zu erlangen, das müsste der Täter wissen.“
„ Sicherlich, aber mit Hinauszögern ist manchmal auch schon was gewonnen.“
„ Und zudem“, erzählte Anke engagiert weiter, „war unser Kommissar total baff, als er vor Rosskamps Bruder stand, nahm ihn erst zur Seite und orderte ihn daraufhin zu einem späteren Zeitpunkt runter nach Neuenahr auf die Polizeiinspektion. Dieser Münch ist vom Präsidium Koblenz und scheint sich wohl hier einzunisten, bis der Fall geklärt ist.“ Anke nippte an ihrem Weinglas. „Mich hat er auch ausgehorcht, wie ich zu Leonie stehe, ecetera und doch tatsächlich gefragt, wo ich zur Tatzeit gewesen bin.“
Wolf zog die buschigen Augenbrauen hoch. „Und? Wo warst du?“, fragte er mit gespielt aufgesetzter Miene.
„Na hör mal, Gottlob mit dir bei unserem Italiener, also mindestens zwanzig Zeugen.“ Anke nahm einen kräftigen Schluck darauf. „Nun ja, und dann kamst du, Gott sei Dank, denn ich fühlte mich irgendwie fehl am Platz.“
„ Das ist aber eher selten“, feixte Wolf.
„ Danke“, Anke verzog grimmig ihren Mund.
„ Du nervst. Mir ist nicht zum Spaßen. Ich glaube, dieser Priester ist jetzt noch da. Ich weiß nicht, wie der zu Leonie steht.“
„ Du bist doch wohl nicht wieder mitten drin?“
Anke legte ihre Hand auf seine und meinte in einem milden Ton: „War das jetzt tatsächlich eine Frage oder mehr eine Feststellung?“
„Und was ist mit USA?“ gab Wolf statt einer Antwort zurück.
Oh je, Wolfs Einladung, durchfuhr es Anke. Die hatte sie doch in den letzten Stunden glatt vergessen.
„Heute sind die Tickets gekommen, und ich habe per Fax noch einmal die Einladung vom Hartford Family Institute bestätigt und unsere Ankunft mitgeteilt“, sagte er mit einem um Verständnis ringenden Ton. Anke nickte. Schon mehrmals war Wolf drüben gewesen, um Vorträge zu halten. Der Kontakt zum befreundeten HFI bestand seit Jahren, da einer der Leiter des Instituts damals Wolfs Ausbilder zum Gestalttherapeut gewesen war.
„ Das heißt ...“ Sie warf ihm einen unbehaglichen Blick zu. „Du fliegst in ein paar Tagen nach Connecticut.“
Wolf schüttelte langsam den Kopf. „Wir, meine Liebe, wir fliegen in ein paar Tagen, genau genommen in drei.“
„Ich kann jetzt hier nicht weg.“
„ Ich bitte dich, doch nicht wegen dieser Leonie? Du machst Witze.“
Der warme Glanz seiner Augen verflog.
„Versteh doch, ich ...“
„ Hör mal, das Meer, Hartford liegt direkt am Atlantischen Ozean.“
„ Weiß ich doch, trotzdem und außerdem, du hast diesen Tag doch nicht miterlebt, du kannst doch nicht nachempfinden, was passiert ist, wie ich mich dabei fühle. Ich kann das jetzt nicht einfach sausen lassen und abhauen, weil“, sie sah ihn mit gesenktem Kopf unter ihren Wimpern an, „ich schon viel zu tief involviert bin.“ Als sie die Traurigkeit und Resignation in seinem Gesicht bemerkte, tat es ihr Leid. Vielleicht sollte sie sich doch aus allem raus halten. Aber sogleich schrie es „nein“ in ihr. Es ging einfach nicht.
„ Job oder reine Neugierde?“
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