Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Freundin von mir.“ Anke und Johannes Rosskamp nickten sich kurz zu.
„ W ir sollten nach nebenan gehen in die Wohnung“, forderte Leonie die beiden auf.
„ Du weißt also noch nichts“, wandte sich Leonie ihrem für sie noch fremden Onkel Johannes zu, während sie sich auf das ausladende Sofa setzte. Das Wohnzimmer war mit hellen, freundlichen Möbeln ausgestattet, eine gewagte Mischung aus Alt und Moderne. Es fiel ihr schwer, diesen Mann mit ›du‹ anzureden. Mit einer Handbewegung deutete Leonie ihren Gästen an, in den Sesseln Platz zu nehmen.
„ Was soll ich noch nicht wissen?“ Johannes' freudige Wiedersehenslaune war unverändert. Als es an die Tür klopfte, flogen alle Köpfe gleichzeitig in diese Richtung. Leonie stand auf, um nachzusehen, eigentlich wollte sie jetzt niemanden sehen, der nicht zum engeren Kreis gehörte. Kurz bevor sie an der Tür war, öffnete sich diese.
„ Onkel Lennart?!“ rief sie überrascht. Ihn hatte sie nicht erwartet.
„ Frau Senge hat mich angerufen ...“ Erst jetzt schien er Johannes zu erkennen. „Jesus, Maria, Johannes, du hier, jetzt ...? Du weißt es also auch schon?“
„ Was um Himmels willen weiß ich auch schon, oder soll ich noch nicht wissen?“
Leonie ergriff das Wort. „Das mit Vater, ich meine, mit deinem Bruder, er ...“, sie senkte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen.
„Was ist mit ihm, ist was passiert?“
„ Er wurde ermordet, am Samstagabend.“
Johannes schien es die Worte genommen zu haben. Es dauerte eine Zeit, bis er nachfragte.
„Was hast du gesagt?“
Leonie nickte nur. „Und das ist noch nicht alles.“ Nun sah sie auch für einige Sekunden Onkel Lennart an. Wenn sie schon dabei war, wollte sie auch gnadenlos alles kundtun. „Vater hat kurz vor seinem Tod behauptet, er wäre nicht mein Vater.“
Johannes erhob sich und lief im Zimmer umher, atmete tief ein und aus, fuhr sich durch die Haare und sah in die Runde. „Das, das glaube ich alles nicht.“ Sein Blick blieb schließlich an Lennart hängen. Leonie schien es, als erwarte er von ihm ein Dementi all dieser niederschmetternden Ereignisse. Sie beobachtete die Szene aufmerksam, mehr unbewusst, aber gleichzeitig bemerkte sie die Spannung zwischen den beiden Männern. Und diese Spannung, so spürte sie, hatte nichts mit dem unerwarteten Auftauchen des ihr fremden Onkels zu tun. Es war eine andere, die sie nicht greifen und sich nicht erklären konnte, die eigentlich völlig widersinnig war. Sie sah, wie Onkel Lennart schluckte und unter Johannes sturem Blick etwas an Farbe verlor. Es waren nur Sekunden, in denen die beiden Männer sich intensiv ansahen, aber dennoch glaubte sie, Onkel Lennarts Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Es schien, als wolle er Johannes in irgendein e Richtung beschwören, ihm eine wichtige unausgesprochene Nachricht schicken.
Leonie schloss ein paar Sekunden die Augen und zog ihre Jacke enger an den Körper. Mit einem Mal fröstelte sie. Schließlich hob Pastor Lennart die Arme und gestikulierte verzweifelt.
„Ich weiß auch nicht, was ich zu all dem sagen soll.“ Er starrte einen Augenblick zu Boden, als überlege er, unvermittelt schritt er danach zu Leonie. Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Mitgefühl und Sorge. Beherzt umarmte er sie. „Mein armes, Kind, das muss alles zu viel für dich sein. Komm ein paar Tage mit mir nach Trier, um dich etwas zu erholen.“
Nach einer schicklichen Zeit befreite sich Leonie und lehnte den gut gemeinten Vorschlag ab.„Ich muss zur Verfügung stehen.“ Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, sich jetzt in Onkel Lennarts Obhut zu begeben.
„Für die Polizei?“, fragten Pastor Lennart und Johannes wie aus einem Mund.
„ Aber du stehst doch wohl nicht unter Tatverdacht?“, empörte sich Onkel Lennart. Leonie zuckte nur mit den Schultern. „Hauptverdächtiger ist unser Kellermeister. Er ist in Gewahrsam, aber ich weiß, dass er es nicht war.“
„ Also kann es noch jeder von uns gewesen sein“, folgerte Johannes.
„ Außer ich?“, protestierte Anke.
„ Wer ist die Dame?“, fragte Lennart.
Leonie war bereits aufgefallen, dass er Anke nicht unbedingt wohlwollend gemustert hatte. Das wunderte Leonie, denn für ihn waren doch alle Schäflein Gottes. Anke erhob sich und strich mit beiden Händen ihre Lederhose glatt. „Oh, Entschuldigung“. Es klang etwas spitz. „Sie können mich noch nicht kennen. Ich bin eine“, sie hüstelte gekünstelt, „eine relativ
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