Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
gut, dass er sich angewöhnt hatte, stets eine Ausführung seiner Amtskleidung in einem kleinen Reiseköfferchen im Wagen zu deponieren.
Mittlerweile regnete es heftig, aber die Luft war warm. Er schaltete das Autoradio ein. SWR brachte Nachrichten und anschließend eine Durchsage, die Lennart das Herz einen Moment stocken ließ. „Dringend gesucht wird Johannes Rosskamp als wichtiger Zeuge in einem Mordfall. Er ist in einem Lexus der Farbe silbergrau, Kennziffer AW-DJ-21 unterwegs.“
Der Gesuchte sollte sich bei der Polizeidienststelle Bad Neuenahr oder jeder anderen melden.
30
Anke, eine Hand am Zündschlüssel, warf Leonie einen bedächtigen Blick zu. Sie saßen nach ihrem Besuch beim Grundbuchamt eine Weile im Porsche auf dem Parkplatz hinter dem Amtsgericht. Seitdem sie das Gebäude verlassen hatten, war Leonie verstummt. Bis jetzt hatte Anke sie in Ruhe gelassen, um über das Ausgekundschaftete nachzudenken. Außerdem gingen ihr selbst finstere Gedanken durch den Kopf, die ihr genauso logisch wie absurd erschienen. Nun räusperte sie sich, um ein Gespräch einzuleiten.
„ Denkst du auch, was ich denke, Leonie?“
„ Das weiß ich erst, wenn du mir verrätst, was du denkst“, antwortete Leonie mit dem Gesicht zur Windschutzscheibe gewandt.
„ Er hat ihnen zur Hochzeit einen kompletten Weinberg geschenkt. Wir reden hier von ungefähr 20 Hektar. Das ist eine Menge. Und das war sicherlich nicht nur ein Hochzeitsgeschenk im üblichen Sinne.“
„ Wir sollten ihn fragen, dann wissen wir es.“
Anke holte Luft. Ohne, dass sie es wollte, klang ihre Stimme belegt. „Nein, noch nicht, ich muss dir noch etwas erzählen.“ Wie würde Leonie auffassen, was sie ihr jetzt sagen würde? „Deine Mutter, die Rosskamp Brüder, Helga Heise und ...“, Anke hielt inne und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als sie bemerkte, dass Leonie sie erwartungsvoll anschaute. Sie hatte ihren Körper im Sitz aufmerksam zu ihr gewandt. „Und, wie nennst du ihn immer, Onkel Lennart, waren früher eine unzertrennliche Clique gewesen.“
Leonie hob die Augenbrauen.
Bevor sie „und?“ fragen würde, unterrichtete Anke sie weiter: „ 19 83 haben sie sich während des Weinfestes an dem Samstagabend oben an deiner Lieblingsbank getroffen.“
Leonie sah sie überrascht an. „Woher weißt du das?“
„Ich habe dir doch gesagt, ich höre mich um, was deinen wahren Vater betrifft.“
Leonie schwieg und schien zu warten, dass Anke fortfuhr.
„Ich weiß es aus dem Tagebuch von Helga Heise, das ich zusammen mit ihrer Mutter auf dem Dachboden in einer alten Truhe aufgestöbert habe.“
„ Tagebuch?“, wiederholte Leonie, als höre sie das Wort zum ersten Mal in ihrem Leben.
Anke nickte bestätigend. „Aber leider hat sie die wesentlichen Seiten nachträglich herausgerissen. Somit bleiben nur Vermutungen.“
„Und was vermutest du?“ Leonie schien kaum zu atmen.
„ Irgendetwas ist an dem Abend dort oben in den Weinbergen passiert. Das habe ich auch während des kurzen Gespräches mit Helga Heise herausgehört.“
„ Etwas passiert“, murmelte Leonie versonnen. „An meiner Lieblingsbank“, ergänzte sie nach einer kurzen Pause. Um ihren Mund zuckte es.
„ Hör zu. Ich bin nicht sicher, aber es könnte sein, dass wir nicht herausfinden werden, wer dein wahrer Vater ist. Nach einer kurzen Pause fügte Anke leise aber bestimmt hinzu: „Wenn du verstehst, was ich meine.“ Sie sah Leonie einen Moment abwartend an, ob sie etwas dazu sagen würde.
Nach längerem Schweigen flüsterte Leonie in einer Art und Weise, als könne sie selbst nicht glauben, was sie da von sich gab. „Du meinst, es könnten mehrere infrage kommen? Meinst du das damit, was passiert sein könnte? Befürchtest du das?“
Anke rührte Leonies Blick mit den fragenden Augen, die gleichzeitig etwas Flehendes enthielten, dass so etwas doch nicht wahr sein könnte. Reflexartig legte sie ihre Hand auf Leonies Schenkel.
„ Ich sage nur, es könnte sein. Nachdem, was ich bisher herausgefunden habe, wäre es durchaus möglich.“
Leonie schüttelte heftig den Kopf. Sie schluckte schwer und sah geistesabwesend zur Frontscheibe hinaus. Anscheinend versunken in Gedanken, welche Auswirkungen das alles für sie haben mochte. Beschwörend behauptete sie schließlich: „Das glaube ich nicht! Nicht meine Mutter!“
Anke hörte dennoch die Unsicherheit in der Behauptung der Winzerin heraus.
„ Sie war auch mal jung“, versuchte Anke, das
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